
„Es ist das erste Mal, dass ich einen Erntedankgottesdienst mit Sonnenbrille feiere und im Talar schwitze“ bekannte Pfarrer Klaus Neumeier vor rund 400 Besuchern in den Streuobstwiesen am vergangenen Sonntag.
Tatsächlich gab der Sommer einen vielleicht letzten Besuch in Bad Vilbel. Von kleinen Kindern im Kinderwagen bis zur Generation ihrer Großeltern und Urgroßeltern waren die Vilbeler in die Obstwiesen gepilgert – und wer etwas verspätet kam, der wurde bereits von den Klängen der Stadtkapelle empfangen, die bereits zum festen Kreis der Mitwirkenden dieses besonderen Gottesdienstes gehört.
Die Umgebung der Obstwiesen erinnert an die Ernte, auf die wir auch im technisierten Zeitalter der 21. Jahrhundert täglich angewiesen sind. Dies sich als Erwachsene immer neu in Erinnerung zu rufen und es auch den Kindern zu vermitteln ist daher eine bleibende Aufgabe auch in unserer Zeit. Dem Dankcharakter des Festes entsprechend stand die Freude über die Gaben der Schöpfung im Mittelpunkt vor allem des Singens. Neben den alten schönen Erntedankliedern wurde ein neues kindgerechtes Lied aus der Feder von Tanja Tahmassebi-Hack vorgestellt und gesungen. Sie ist die Leiterin der Kinderchöre in der Gemeinde und hat bereits viele sehr eingängige Kinderlieder zum christlichen Glauben geschrieben und in diesem Frühjahr hierzu auch eine CD veröffentlicht („Zauberkürbis biblisch“). Dank der gesanglichen Unterstützung von Anja Seybold und Nicole Duplois fiel auch den Besuchern das Mitsingen nicht schwer.
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Das „Leben in der Fülle“ aber ist nicht nur Anlass zur Dankbarkeit und Freude. Pfarrer Klaus Neumeier erinnerte daran, dass sich die Fülle unserer Supermärkte und Kaufhäuser selbst bei uns nicht alle leisten können. „Und beim Blick in die Welt wird deutlich, dass unsere Fülle uns in die Verantwortung ruft.“ In diesem Sinne darf am Tag des eigenen Dankes und der Freude über Gottes Gaben nicht vergessen werden, wie viele Menschen nicht ausreichend zu Essen und keinen Zugang zu sauberem Wasser haben; wie vielen Menschen ein Dach über dem Kopf und die notwendigste Kleidung fehlt und wie sehr Menschen auch mit ihrer Gesundheit und Lebenserwartung unter den Folgen von Armut und Ungerechtigkeit leiden. Im Anspiel von Anna Debé mit einigen Kindern wurde unsere Situation deutlich: Im Supermarkt haben wir zum Beispiel die Wahl zwischen Dutzenden von Nudelsorten… Klaus Neumeier: „Andere fragen nicht, ob sie diese oder jene Nudeln kaufen, sondern ob sie überhaupt etwas zum Essen kaufen können. Und wo wir vor unserem Kleiderschrank nicht wissen, was wir anziehen sollen, da wissen andere nicht, was sie überhaupt anziehen sollen.“
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Tobias Utter las aus dem Alten Testament den alten biblischen „Traum vom Land mit Milch und Honig“ vor: Bereits damals mussten Menschen vom Leben in der Fülle träumen, weil sie es real nicht hatten. Klaus Neumeier rief dazu auf, unseren Teil beizutragen, dass dieser Traum für immer mehr Menschen in Erfüllung geht. Gerade erst in diesen Wochen sei deutlich geworden, dass die Millenniumsziele der Vereinten Nationen zur Bekämpfung von Hunger und Armut noch nicht annähernd erreicht wurden. Zugleich würdigte der Pfarrer aber auch die vielen Projekte im Kleinen, die beispielsweise auch von Mitgliedern der Gemeinde in Indien oder Südafrika initiiert und unterstützt würden. Es ist folgerichtig, dass auch die Kollekte des Gottesdienstes für „Brot für die Welt“ diesem Zweck diente.
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Bereits zum Ende des Gottesdienstes verbreitete sich der Geruch frisch gegrillter Würstchen über die Wiesen und lud ein, anschließend noch zusammen zu bleiben. Dieses Miteinander wurde wie in den Vorjahren vom Vilbeler Obst- und Gartenbauverein und diversen Freiwilligen der Kirchengemeinde vorbereitet und gab einen guten Rahmen auch für das Quiz des Fördervereins der Gemeinde, bei dem Apfelsorten zu bestimmen und ein großer Apfelkorb zu gewinnen waren. Mit einem Dank an die Besitzer der Wiesengrundstücke endete ein ebenso fröhlicher und Dank-erfüllter wie nachdenklicher Vormittag in den Vilbeler Streuobstwiesen.
Auch in den letzten Jahren gab es sehr schöne Erntedankgottesdienste in den Streuobstwiesen. Berichte darüber finden sich in unserem Archiv:
- Erntedank 2009 - Förderverein vergibt Preis für die richtige Schätzung
- Erntedank 2008 - Dr. Hartmut Spieß vom Dottenfelderhof als Gast der Ev. Christuskirchengemeinde
- Erntedank 2007 - Das Reich Gottes wächst unter uns wie ein Baum
- Erntedank 2006 - Die Raupe Nimmersatt
Lutz Rosenkranz
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