
„Einen direkten Draht zum lieben Gott haben nach evangelischem Verständnis aber alle Christen in gleicher Weise, da ist der Pfarrer nichts Besonderes!“
Freuen aber konnten sich die Christen der rührigen Bad Vilbeler Kernstadtgemeinde tatsächlich: Nach den heftigen Gewittern der beiden Vortage lachte am Sonntag die Sonne und nicht wenige suchten am Nachmittag die Schattenplätze.
Dabei hatte es um 10 Uhr noch durchaus frisch begonnen, als der Jugendchor auf der Bühne vor dem Kurhaus den Festgottesdienst eröffnete. Damit war der entscheidende Akzent des Tages gesetzt: Chormusik prägte die nächsten sieben Stunde auf dem großen Platz zwischen den Platanen. Ums Alter und das Miteinander der Generationen drehte sich das Theater: Während Mutter (Ilona Krauß) an der offensichtlichen Demenz von Opa (Hartmuth Schröder) verzweifelte, konnte die jugendlichen Enkelgeneration (Hannah Neumeier und Felicitas Hoppe) damit viel besser umgehen. Sehr eindrucksvoll machten sie deutlich, wie selbstverständlich Zuwendung und Liebe aussehen können. In dialogischer Form predigten anschließend Patricia Thiele und Pfarrer Michael Solle, bekannten einander die häufigen Diskrepanzen zwischen Kindern und Eltern und zeigten zugleich glaubwürdige Wege eines ehrlichen und offenen Miteinanders auf.
Während sich nach dem Gottesdienst viele Gemeindemitglieder zunächst nach Steaks, Brezeln oder Kuchen umsahen, kamen neue Gäste zum „Jazz unter den Platanen“ hinzu. Gospelmusik stand dank der gelungenen Planung der städtischen Kulturpflege auch hier im Vordergrund. Unter der Leitung von Dirk Raufeisen sang nicht nur der heimische Chor „Soulfood“, sondern auch befreundete Sängerinnen und Sänger aus der Schweiz. Musik und Inhalt kamen auf beeindruckende Weise zusammen, wenn Dirk Raufeisen am Klavier virtuos zusammen mit seiner Band Chor und ausgezeichnete Solisten begleitete und die Botschaft von „My Jesus, my Saviour“ über den Kurhausvorplatz schallte.
Gleichzeitig trafen sich im großen Kreis auf der Kurparkwiese Familien mit kleinen Kindern und feierten einen „Was dir gut tut“-Krabbelgottesdienst. Völlig erschöpft kam während der ersten Minuten Pfarrer Klaus Neumeier in Joggingmontur angerannt und ließ sich ermattet auf den Liegestuhl fallen. Jetzt tat Wasser zum Trinken ebenso gut wie eine Schüssel für die müden Füße. Gemeinsam mit den Kindern fand Neumeier dann viele Dinge, die Großen wie Kleinen gut tun. Verbunden mit einer Jesusgeschichte aber war er sich sicher: „Am meisten tun uns lachende Menschen gut!“ Dem entsprechend gab es das Logo der kommenden Herbstaktion der Gemeinde für jedes Kind auf einem Button: Ein lachendes Blumensmiley !
![]() |
Vor allem unter den Bäumen war dann viel los bei einer Bälle-Wurfmaschine des Evangelischen Jugendwerkes, beim Schminktisch der Kita „Arche Noah“ oder beim Schutzengelbasteln der Evangelischen Familienbildung. Und mit Riesenmikados, Tauen oder Riesenjengasteinen wurde außerdem feste gebaut. Nicht wenige kamen auch ins Zelt der Jugendvideogruppe – doch lag dies für einige vielleicht schon etwas zu weit abseits, während das Vorlesen unterm Riesenfallschirm aufgrund der lauten Musik von oben nicht ganz einfach war. Die kam zu dieser Zeit von der Jugendband „Phonomenal“ – während dies tatsächlich dem einen oder anderen zu laut war, versammelten sich diverse Jüngere aber genau dazu vor der Nebenbühne, die gesondert für die Bands an diesem Tag aufgebaut worden war.
Dann aber orientierten sich alle Altersgruppen wieder stark auf die Bühne: Mit den Tanzdarbietungen der „Heavenly Stepps“ und der Orientalischen Mutter-Kind-Tanzgruppe gab es vor allem etwas zu sehen. Simone Appel mit den Teenagern und Renate Behrens-Neumann und Irene Hartmann mit Müttern und Kindern zeigten ganz verschiedene, aber je für sich eindrucksvolle Darbietungen.
Dann aber kam der Nachmittags-Höhepunkt: Bei der „Power of Music“ wurde die große Bühne mehr als voll, als die meisten der etwa 170 wöchentlichen Besucherinnen und Besucher der vier Gemeindechöre unter der Leitung von Thorsten Mebus sich präsentierten. „Gott hält die ganze Welt in seiner Hand“ kannten Kleine wie Große und läuteten abwechslungsreiche 90 Minuten Chormusik ein. Der Spatzenchor begeisterte mit seinem eigenen Spatzenchorlied aus der Feder seiner Leiterin Tanja Tahmassebi-Hack. Die „Happy Singers“ boten unter der Leitung von Klaus Neumeier einige Lieder des aktuellen Musicalprojekts dar. Der Jugendchor war nach dem Gottesdienst zum zweiten Mal an diesem Tag aktiv und der Gospeltrain überzeugte mit vollem Sound und ansteckender Musizierfreude! Dann aber kamen alle noch einmal nach oben und rundeten den ersten gemeinsamen Auftritt aller Gemeindechöre ab mit einem „Oh happy day“ und der sechsjährigen Michelle Stohs als eindrucksvoller und heftig gefeierter Solistin!
![]() |
„Eine ideale Hintergrundmusik“ freuten sich dagegen Andrea Hartmann und Susanne Schuffenhauer vom Förderverein der „Arche Noah“ und verkauften eifrig Cocktails – kein Wunder, dass sie beim großen Andrang vor dem Kurhaus ebenso nachgefragt wurden wie die rund 100 selbst gebackenen Kuchen oder circa 1000 Würstchen und Steaks. Beeindruckende Zahlen konnte auch der Bücherflohmarkt anbieten: Weit über 300 verkaufte Bücher zugunsten der Aktion „Was dir gut tut“. Sie war ohnehin überall präsent: Auf Bannern, Aufklebern und mit den T-Shirts, die viele an diesem Tag erstmals trugen. Infos dazu gab es am eigenen Gemeinde-Infostand, an dem Marlene Schröder-Greim kompetent Auskunft gab über alle Bereiche der umfangreichen Gemeindearbeit. „Über 100 Mitglieder unserer Gemeinde waren heute ehrenamtlich engagiert; manchen standen mehrere Stunden im Spülmobil, andere waren bereits seit 7 Uhr beim Aufbau mit dabei – es ist toll, mit soviel freiwilligen Mitarbeitenden zusammenzuarbeiten“ zog Klaus Neumeier als Gesamtverantwortlicher am Abend ein sehr positives Fazit. „Auch die Zusammenarbeit mit den Technikern und der Stadt war so gut wie die vielen Jahre zuvor“ Tatsächlich feiert die Gemeinde seit 1992 ihre Fest mitten in der Stadt und war damit offensichtlich Ideengeber für viele andere, denn mittlerweile ist der Kurhausplatz zum beliebtesten Festplatz überhaupt in Vilbel geworden.
![]() |
Aber nicht vergessen werden darf das Ende des Festes: Das Menschenkicker-Finale zwischen den fünf Hauptamtlichen der Gemeinde gegen ein Team des Kirchenvorstandes. „Den ganzen Tag schon war hier richtig viel los“, resümierte Gemeindepädagogin Martina Radgen, jetzt musste sie mit ihren männlichen Kollegen (Michael Solle, Jens Martin Sautter, Thorsten Mebus und Klaus Neumeier) selbst an die Stangen – gegen diese Kirchenprofis hatten die Laien keine Chance; aus Gründen der Diskretion sei das genaue Ergebnis verschwiegen. Lutz Rosenkranz