
Wie ein bunt geschmückter Papagei trat er aus der Anprobe und zahlte über 1000 €. Die Verkäuferin aber hatte ihm zu völlig überhöhten Preisen Altware angeboten. Für die zahlreichen Besucher von Kirche anders war offensichtlich: Sie hatte sein Vertrauen missbraucht.
Nicht enttäuscht aber wurden die Mutigen, die sich von der Bühne in die gekreuzten Arme von zehn gestandenen Männern stürzten: Sicher wurden sie aufgefangen und unter dem Beifall der Anwesenden wieder auf ihre Füße gestellt. „Alles eine Sache des Vertrauens“ brachte es Britta Betz als Moderatorin des Nachmittags auf den Punkt. Viel Vertrauen hatten die Gäste in die Musik der Anders-Band, die seit vielen Jahren mit Rock und Pop Kirche anders begleitet – unter anderem auch mit dem eigenen Kirche anders-Titelsong.
Seine Predigt begann Pfarrer Klaus Neumeier diesmal im Stil eines Märchenerzählers – und machte dabei drei Grundformen des Vertrauens deutlich: Vertrauen in andere Menschen, Vertrauen in sich selbst, Vertrauen in Gott. Im Grenzbereich von Psychologie und Theologie wurde erkennbar, wie sehr der Mensch bereits mit seiner Geburt auf Vertrauen ausgelegt ist. Das Urvertrauen zur Mutter muss nicht erlernt werden, ein Baby ist sich seines Vertrauens nicht einmal bewusst, „es vertraut, weil es gar nicht anders kann.“ Doch sehr früh schon muss der Mensch mit Enttäuschung und Misstrauen umzugehen lernen: „Da drängelt sich ein Kind an der Rutsche vor und die eigene Mutter greift nicht ein und korrigiert die Reihenfolge. Im Gegenteil: Immer wieder erfüllt sie Wünsche nicht auf Knopfdruck!“ Für Neumeier ist es ein wichtiges Erziehungsziel, dass solche Vertrauenskonflikte ausgetragen werden „und zugleich das blinde Vertrauen in Eltern oder Lebenspartner bestätigt und gestärkt wird.“. Neumeier: „Es ist gut, wenn wir ein, zwei Menschen haben, denen wir tatsächlich blind vertrauen können“. Ansonsten aber sei alles Vertrauen immer ein Risiko, da ich weder bei Freunden, noch bei Mitarbeitern im Beruf sicher sein könne, ob mein Vertrauen gerechtfertigt sei. „Und trotzdem sind wir immer neu auf Vertrauen angewiesen, selbst über Enttäuschungen hinweg“. Neumeier ermutigte ausdrücklich, Menschen auch nach Enttäuschungen neu Vertrauen zu schenken: „Wie oft habe ich wissentlich oder unwissentlich bereits Menschen enttäuscht und sie vertrauen mir trotzdem.“ Dies sei auch anderen immer neu zu gewähren und der aus dem Misstrauen geborene Sicherheitsabstand zu anderen Menschen abzubauen: „Vertrauen bedeutet, dass ich die Nähe anderer Menschen zulasse, auch wenn ich dadurch verletzlich werde. Das genau ist das Wagnis des Vertrauens“.
Dieses Wagnis lohne sich auch bei Gott. Wie beim Vertrauensspiel vor der Predigt könnten wir Menschen nie tiefer fallen als in Gottes Hände, so der Pfarrer. Wenn Jesus die Menschen auffordere, wie Kinder Gott zu vertrauen, dann gehe es genau um das Urvertrauen, das nicht abwägt und berechnet, sondern eben blind vertraut. Zu dieser tiefsten Form des Vertrauens lade Gott die Menschen immer neu ein, auch wenn sie die gottgeschenkte Freiheit vielleicht lange gegen ihn oder ohne ihn genutzt hätten.
Zu neuem Vertrauen ermutigt und durchaus nachdenklich gingen die Menschen nach gut einer Stunde wieder nach Hause – ob einige ihre „Sicherheitsabstände“ im Miteinander mit anderen Menschen oder mit Gott abbauen werden?
Lutz Rosenkranz
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