Gott ist ungerecht – Gott sei Dank!
Unter dem Titel „Niko? Lausig!" lud die Evangelische Christuskirchengemeinde am vergangenen Sonntag zum zweiten Mal in dieser Saison zu ihrem modernen Gottesdienst „Kirche anders". Im Mittelpunkt stand diesmal der Mann, der vor 1.700 Jahren in der heutigen Türkei gelebt und gewirkt haben soll. „Ungefähr 1,60m groß muss er gewesen sein und von dunkler Hautfarbe, seiner anatolischen Herkunft entsprechend", erläuterte Pfarrer Ingo Schütz in seiner Predigt.
Der Nikolaus war auch prägend für die Dekoration des Saales in der Christuskirche, die in gewohnt gemütlicher Atmosphäre eingerichtet und mit Nikolaustellern auf jedem der 20 Bistrotische ausgestattet war. Die rund 150 Gäste ließen es sich nicht nehmen, bei den Süßigkeiten zuzugreifen – und stutzten, als sie neben Mandarinen, Erdnüssen und Schokolade auch Zitronen auf jedem Teller erblickten.
„In Wirklichkeit", erklärte Schütz diese Besonderheit, „ist es im Leben wie am Nikolaustag: Wir bekommen nicht immer nur Süßes geschenkt, sondern müssen immer wieder auch bittere Pillen schlucken und in saure Früchte beißen." Wie gut sei es da, dass Gott, anders als der Nikolaus, den Menschen gegenüber eine gewisse Ungerechtigkeit an den Tag lege: „Er gibt nicht jedem das, was er verdient – sondern allen Menschen viel, viel mehr. Freundschaft, Vertrauen, Hoffnung, Sonnenaufgänge und den Duft von Tannennadeln: Dinge, die man sich mit Geld nicht kaufen kann."
Das mit viel Applaus und Gelächter aufgenommene Theaterstück zeigte den „echten" Nikolaus, der dem Publikum vorführte, wie er in den besuchten Familien in den 50er-Jahren, in den 70ern und heute aufgenommen wurde: In der Mitte des letzten Jahrhunderts der anständig gekleidete und sittsam auftretende Nachwuchs noch Gedichte aufsagen und ein Instrument spielen konnte. In der Zeit des Flower Power wusste er dagegen schon nicht mehr, was er mit „Apfel, Nuss und Mandelkern" aus dem Sack des Nikolaus anfangen sollte. „Kann man das rauchen?", war ein Vorschlag des Familienvaters im Theater, dargestellt von Christian Brück.
„Immer noch irgendwie süß", kommentierte der Nikolaus (Hartmuth Schröder) die Szene, aber was heute üblich sei, ertrage er nicht mehr: Gezeigt wurde eine Gegenwartsfamilie, in der die Eltern nur noch mit ihren Handys beschäftigt waren, anstatt sich wirklich um ihr Kind und um die Traditionen zu kümmern. Kein Wunder, dass der Sprössling den fremden Besucher dann auch rabiat anging: „Sei gefälligst brav und gib mir etwas aus deinem Sack – sonst erzähle ich allen, du hättest mich angefasst!"
Musikalisch gestaltet wurde der Abend von der Jesus House Band unter der Leitung von Thorsten Mebus. Neben Weihnachtsklassikern wie „Santa Claus is coming to town" gaben die durchweg jungen Musiker dabei auch Gospels wie „Go, tell it on the mountains" zum Besten.
Gunnar Sieber
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