Fragen an Uschi Szczes, Ehrenamtliche im Südindien-Team der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel

Kinderheim Kamuthi Helen Thanapackiam und Uschi SzczesWie kam es, dass Du Dich für die Partnerschaft mit den beiden Kinderheimen in Tranquebar und in Kamuthi in Südindien engagierst?
Ende der 1980er-Jahre hatte unser Pfarrer Hans Siebert Besuch von seiner Schwester Pfarrerin Dr. Eva Maria Siebert-Johnson und ihrem Ehemann Bischof Gnanabaranam Johnson, die in Indien ein Kinderheim gegründet hatten. Bei einem Vortrag in der Gemeinde sahen mein Mann Reiner und ich Bilder von spielenden Kindern, woraufhin er spontan sagte: „Die Buben brauchen doch einen Fußball!“ und sofort spendete er Geld dafür. Ein paar Jahre später, inzwischen war mein Mann verstorben, wurde ich Mitglied des Partnerschaftsausschusses. Hier erhielt ich immer wieder Informationen über eben jenes Kinderheim und 2005 wurde dringend nach Heim-Patenschaften gesucht. Ich erinnerte mich an meinen Mann und die Fußbälle und entschied mich kurzerhand, eine solche Patenschaft zu übernehmen.

Als in unserem Ausschuss eine Kontaktperson für Indien gesucht wurde, sagte ich zu, ohne Vorstellung, was ich zu tun hatte und mit auch nur „dürftigen“ Englischkenntnissen. Es entstand ein reger Briefwechsel mit Pfarrerin Dr. Eva Maria Siebert-Johnson und ich suchte weitere Paten. Immer wieder erzählte ich hier in Bad Vilbel von den Kindern in Indien und so gewann ich neue Spender und Heimpaten.

Was motiviert Dich, Dich über so viele Jahre für diese Partnerschaft einzusetzen?
Die Kinder in Südindien und die Betreuer sind mir ans Herz gewachsen und schenken mir sehr viel. Es sind nicht nur die Begegnungen vor Ort, sondern die vielen Kontakte das ganze Jahr über. Bspw. haben wir die Verabredung, immer bei Vollmond ganz besonders gegenseitig für uns zu beten. Das ist ein so schönes Ritual, das ich sehr schätze und das mir ganz viel gibt. Außerdem erdet mich die natürliche Fröhlichkeit der Kinder, die mit so wenig glücklich sind, immer wieder ganz besonders aufs Neue. Und noch etwas beeindruckt mich von Anfang an und motiviert mich ganz besonders: Das unerschütterliche Gottvertrauen von Frau Thanapackiam. Besonders als ich erfuhr, dass sie spontan entschied, weiterhin für 120 Kinder im Heim zu sorgen, als sich die Kindernothilfe aus dem Heim zurückzog. Und das ohne sicheres Einkommen und Unterstützer und mit keinerlei Rücklagen.

Was gibt Dir Kraft, in schwierigen oder aussichtslosen Situationen weiterzumachen?
Das Gebet! Das habe ich von Frau Thanapackiam übernommen. „Geht nicht“ gibt’s bei ihr nicht! Was dieser Frau schon alles durch intensives Gebet geschenkt wurde und ihre Aussichten waren ganz häufig gar nicht rosig. Ich selbst durfte auch schon ganz wunderbare Erfahrungen durch Gebete erfahren. Und einmal haben mich sogar mehrere tausend Euro für die Kinderheime in Südindien „gefunden“ – das war so ein großes Geschenk! Aber Gott ist kein Selbstbedienungsladen! Durch das Gebet erhalte ich neue Perspektiven, bekomme ich Kraft! Denn nur durch intensives Gebet dürfen wir alles vor Gott bringen und er entscheidet. Fordern geht gar nicht.

Partnerschaft ist keine Einbahnstraße – was fließt zwischen Südindien und Bad Vilbel hin und her?
Klar, wir hier in Bad Vilbel sind in der besseren finanziellen Situation, da fließt natürlich Geld in Richtung Süden. Aber ich teile auch Frau Thanapackiams Ansicht, wie wichtig es ist, dass wir unsere unterschiedlichen Lebensweisen teilen und mitteilen. Die Kinder in den Heimen schicken z.B. selbst geschriebene Weihnachtsbriefe, gemalte Bilder, sie werden durch die Besuche aus Deutschland dazu ermutigt. Und ich erfahre immer, dass man auch mit wenig Konsum ausgefüllt leben kann. Dieses Gefühl habe ich immer, wenn ich vor Ort in Südindien bin, wenn ich im direkten Austausch mit meinen indischen Freundinnen und Freunden bin und mich von ihnen getragen fühle. Und ich habe einmal von einer Partnerschaft mit Südafrika sehr profitiert. Unsere zwei Gäste brachten mich wieder mit ganzem Herzen zurück zu Jesus.

Was war das schönste Erlebnis, das Du im Zusammenhang mit dieser Partnerschaft erlebt hattest?
Es gab viele wunderbare und schöne Erlebnisse, z.B. wenn ich die Kinder zu einem Ausflug ans nur ein paar Kilometer entfernte Meer begleite (gesponsert durch eine Bad Vilbelerin) und sie in den Wellen juchzend spielen – das Meer, das sonst unerreichbar für sie wäre. Ein ergreifendes Erlebnis hatte ich in Nordindien. Bei einer Speisung wurde uns ein Apfel geschenkt. Im Gewusel der Stadt fiel mir ein Kindergeschwisterpaar auf, das geschickt mitten im belebten Autoverkehr Plastikfetzen in einer Plastiktüte sammelte, um diese später für ein paar Rupien zu verkaufen. Spontan entschloss ich mich, dem Mädchen meinen recht großen Apfel zu schenken. Sie war sehr misstrauisch, glaubte mir nicht so recht, doch dann griff sie hastig zu – mit einem Blick, den ich nie vergessen werde. So viel Strahlen und Glückseligkeit … ich weiß, dass Äpfel in Indien sehr teuer sind, und ich glaube, dass es in der Familie abends ein großes Festessen gab.

Was wäre Dein größter Wunsch in Bezug auf diese Partnerschaft?
Dass wir noch viele Jahre den Kindern, die unsere Hilfe brauchen, diese auch geben können. Und dass ich noch öfters die Kinder und Freund*innen in Indien besuchen kann. Frau Thanapackiam habe ich für das nächste Jahr nach Bad Vilbel eingeladen, hier wünsche ich mir, dass es eine fruchtbare gemeinsame Zeit wird und sie hier viele Menschen erreichen wird. Und ich wünsche mir, dass die gegenseitige Verbundenheit bestehen bleibt, dass sich die Menschen hier und dort bereit erklären, weiterhin für die Kinder da zu sein, und dass die Liebe Jesu weiterhin der Mittelpunkt unserer Partnerschaft ist.

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