Was für eine Klangvielfalt

Rückblick: Erstes Orgelkonzert von Geraldine Groenendijk in der Ev. Christuskirche Bad Vilbel

Orgelkonzert GroenendijkAls Neujahrskonzert war es angekündigt worden; reichlich spät am letzten Samstag im Januar. Aber das war den Musikliebhabern sicherlich ziemlich egal, die gespannt waren auf das erste Konzert der neuen Konzertorganistin der Evangelischen Christuskirchengemeinde. Seit Sommer leitet sie bereits die Ev. Kantorei Bad Vilbel und führte mit dieser im November das Deutsche Requiem von Johannes Brahms auf. Seit dem Herbst ist sie auch im Team der Organistinnen und Organisten der Kirchengemeinde und hat bereits in diversen Gottesdiensten die Orgel gespielt.

An der in 2013 umfassend sanierten und erweiterten Walcker-Orgel spielte sie jetzt ihr erstes Orgelkonzert und hatte dafür ein abwechslungsreiches Programm zusammen gestellt. Sie eröffnete den Abend mit Felix Mendelssohn-Bartholdy. Von ihm gibt es insgesamt sechs Sonaten für Orgel. Sie wurden 1845 in der Frankfurter St. Katharinenkirche durch den Komponisten selbst uraufgeführt. Widmungsträger dieser Sonaten war der Konsistorialrat Dr. Schlemmer, der Mendelssohn den Auftrag zur Komposition des „Paulus“ vermittelt hatte. In der Sonate Nr. 2 in c-moll mit ihren vier Sätzen demonstrierte Geraldine Groenendijk die Bandbreite der Klangmöglichkeiten der „neuen“ alten Walcker-Orgel. Interessant die Gestaltung der abschließenden Fuge: Ihr gesangliches Thema aus ruhigen Notenwerten wird nach und nach vom Strom einer Achtelbewegung getragen und steuert auf einen choralartigen Schluss zu. Das Thema erinnert ein wenig an das Abendlied „Der Mond ist aufgegangen“.

Jehan Alain, von dem die nächsten drei vorgetragenen Werke komponiert wurden, stammte aus einer Musikerfamilie. Seine kurze Kompositionszeit, er ist leider durch den Krieg früh verstorben, ist von großer Bedeutung in der Orgelwelt. In der Aria finden wir eine lyrische Melodie, die durch eine unregelmäßige Begleitung permanent gestört wird.  Sie erscheint dadurch wie ein Wiegenlied mit Unterbrechungen. Le Jardin suspendu: „Der hängende Garten“ ist des Künstlers immer wieder gesuchtes, doch ungreifbares Ideal, seine zugängliche und unantastbare Zufluchtstätte. Diese Chaconne gehörte zu den Lieblingswerken des Komponisten. Er beschrieb das statisch ausgerichtete Musikstück als das „Land der Heiterkeit und des Friedens“, als „unermessliches, wunderbares, unbeschreibbares und – wie der ewige Schnee – unveränderliches Land“. Alain berührte in dieser Metapher die Idee einer seligen Todesvision. Die ungewöhnliche Registrierung in diesem Stück erzeugt im Mittelteil Klänge, die Vogelstimmen imitieren. Das letzte von Groenendijk dargebotene Stück von Alain heißt „Litanies“. Der Titel bezieht sich auf die katholische Tradition der Litaneien in Bittprozessionen. Dort folgt auf eine kurze Fürbitte ein immer wiederkehrender Ruf, sehr meditationsartig. Alain schreibt: „Wenn die christliche Seele in ihrer Verzweiflung keine neuen Worte mehr findet, um die Barmherzigkeit Gottes zu erflehen, so wiederholt sie in ungestümem Glauben unaufhörlich das gleiche Bittgebet. Die Vernunft erreicht ihre Grenze. Der Glaube, ganz allein, setzt seinen Aufstieg weiter fort.“
Das Litanei-Thema wird unter ständiger Veränderung seiner selbst ununterbrochen, bis zur Atemlosigkeit, bis zur Ekstase wiederholt. Geraldine Groenendijk vermochte es auf großartige Weise, die anspruchsvolle Rhythmik dieses eindrucksvollen Werkes zu vermitteln.Orgelkonzert Groenendijk 30.1.16 mit Judith Scharfenberger

Die zweite Sonate des Abends war von Max Reger, dessen Todestag sich 2016 zum 100. Mal jährt. Der erste Satz seiner Sonate folgt der Sonatenhauptsatzform im weitesten Sinne. Der zweite Satz stellt eine Anrufung, er selbst schreibt (Invocation) dar. Charakterlich wechselt das Stück zwischen Verzagtheit und Aufbrausen. Die Erhörung der Klage wird durch einen Choral symbolisiert. In diesem Fall ein Weihnachtschoral („Vom Himmel hoch“), der gut aus dem Gesamtklang herauszuhören war. Die Introduktion im letzten Satz verschleiert mit Triolen und schnellen Läufen die Taktart. Das Fugenthema setzt sich bis zum Schluss in verschiedenen Stimmen und schließlich auch im Doppelpedal durch.

Mit lang anhaltendem Applaus dankten begeisterte Besucher für eine musikalisch sowohl anspruchsvolle wie unterhaltsame Stunde, in der die Klangvielfalt der Orgel als „Königin der Instrumente“ durch Geraldine Groenendijk eindrucksvoll demonstriert wurde.

Die nächsten Möglichkeiten, die Walcker-Orgel der Christuskirche zu hören, sind:

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