2017-10-31 - Reformationsjubiläum

Lutherballons

Rückblick: Bad Vilbel feiert 500 Jahre Reformation.

Ob es nun der Abschluss oder der Höhepunkt der Feierlichkeiten gewesen sei, darüber herrscht Uneinigkeit, aber im Rückblick auf den 31. Oktober 2017 sind sich alle sicher: Es war es gelungener und gesegneter Tag mit vielen tollen Veranstaltungen, großem Engagement und überwältigender Resonanz, den über 1.000 Bürgerinnen und Bürger genießen konnten.

Den Auftakt bildeten um 11 Uhr Andachten in allen sieben evangelischen Gemeinden Bad Vilbels, die den Feiertag seit über einem Jahr gemeinsam durchgeplant und organisiert hatten. An allen Orten fanden deutlich mehr Besucher als erwartet ihren Weg in die Kirchen. Von dort aus "pilgerten" die Gläubigen in die Kernstadt, wo es nicht nur leckere Erbsensuppe auf dem Kurhausvorplatz gab, sondern viele Stationen, an denen unterschiedliche Aspekte der Reformation zu erleben und zu bedenken waren.

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Direkt gegenüber der Essensausgabe war eine Thesenwand in Erinnerung an den Thesenanschlag Martin Luthers vor exakt 500 Jahren aufgestellt. Hier konnten die Besucher eigene Thesen formulieren oder Zustimmung zu anderen Thesen deutlich machen. Für viele war es ein ganz besonderes Gefühl. wie einst der Reformator zum Hammer zu greifen, um seiner Meinung Ausdruck zu verleihen. Nicht weit davon entfernt gab es großen Andrang in der Stadtbibliothek: Hier hatten die Macher des Jubiläumstages eine historische Druckerpresse aufgestellt, an der kleine und große Menschen eine Bibelseite so drucken konnten, wie es 1450 üblich war. Auch das Impulsreferat "5000 Jahre Bibelgeschichte in 15 Minuten" (Pfarrer Ingo Schütz) und das biblische Kamishibai-Theater für Kinder (Bettina Hoppmann-Schrader) wurden gut angenommen, der dafür vorgesehene Raum war jedes Mal bis zum Anschlag gefüllt.

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Vor dem Alten Rathaus gab es eine Theaterszene mit Thomas Müntzer und Martin Luther zu bestaunen; im Anschluss diskutierten prominente Gäste aus Kirche und Gesellschaft über verschiedene Facetten des Themenkomplexes "Luther und die Obrigkeit". Auf dem Niddaplatz selbst fanden die Besucher einen überdimensionalen Stolperstein, mit dem auf die "dunkle Seite" Luthers hingewiesen wurde: In seinen letzten Lebensjahren entwickelte er einen erschreckenden Antisemitismus, mit dem sich die Evangelischen anlässlich des Jubiläums offen auseinandersetzten. Das mehrfach aufgeführte Streitgespräch zwischen Vikar Maurice Meschonat und Pfarrer Johannes Misterek lockte immer wieder viele Zuschauer an, die im Anschluss lebhaft diskutierten.

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Wer sich auf den Weg in Richtung Wasserburg machte, staunte über 62 großformatige und bunt ausgemalte Lutherportraits, die an der Nidda entlang an einer Wäscheleine aufgehängt waren. Sie sind das Ergebnis des am Vortag in Dortelweil zelebrierten Tages für alle Grundschulkinder Bad Vilbels, zu dem die evangelischen Kirchen eingeladen hatten: Jede Klasse gestaltete dort gemeinsam "ihren" Luther und trug so etwas zu der Ausstellung am Nuddaufer bei.

17 10 31 Reformationsfest Burg 16

Um Punkt 15:17 Uhr begann dann der Festgottesdienst in der Burg, zu dem neben Vertretern aus Politik, Religion und Gesellschaft insgesamt rund 600 Menschen gekommen waren. In dem historischen Gemäuer, wo bereits den ganzen Tag über musikalische Veranstaltungen viele Gäste zählen konnten, erklangen nun Choräle aus verschiedenen Jahrhunderten, die teils modern arrangiert waren und die Burg mit vielhundertfachem Gesang festlich und fröhlich zugleich zum Klingen brachten. Für Erheiterung sorgte Martin Luther selbst, der höchstpersönlich einige seiner Thesen an die auf der Bühne stehende Tür nagelte. Eine unangemessene Störung sah er darin, wie schon vor 500 Jahren nicht - vielmehr war er überzeugt: Seine Thesen, die nach dem Theaterstück in der Predigt umkreist wurden, sind hilfreich um Gottes Liebe von ganzem Herzen zu feiern.

17 10 31 Reformationsfest Burg 17

Eine Besonderheit in diesem von Pastor Sören Sommer geleiteten Gottesdienst: Für die Predigt sorgten drei Prädikanten, so genannte Laienprediger, wie sie für die evangelische Kirche kennzeichnend sind. Alle drei Impulse von Arndt Faludi, Christine Schmidt und Gaby Rolle bewegten die Zuhörenden und brachten einige Kernanliegen der Reformation und ihre Bedeutung für unsere Gegenwart auf den Punkt: Wie wertvoll das Lesen in der Bibel ist, wie wohl geistliches Liedgut der Seele tut, und was für eine himmlische Gemeinschaft in den Gemeinden Menschen miteinander verbindet - all das gehört zur "Reformation 2.0" dazu, wie Sommer betonte.

17 10 31 Reformationsfest Burg 19

Als der Gottesdienst um 16 Uhr zu Ende ging und für die insgesamt über 100 Ehrenamtlichen das Aufräumen an den verschiedenen Stationen begann, waren alle gewiss: Die Mühen der Vorbereitung und der Durchführung dieses besonderen Jubiläums hatten sich zweifelsohne gelohnt. "Gott sei's gedankt" war immer wieder zu hören.

OLAF SIEBER

Verfasst am .

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