Luther 2017 Am Anfang war das WortNatürlich wissen alle längst Bescheid: Nach einer langen „Reformationsdekade“, bei der EKD-weit über Luther und die Musik, Luther und die Politik, Luther und die Bildung und vieles mehr nachgedacht wurde, hat im letztem Oktober das Jubiläumsjahr begonnen. Nun jährt sich bald, nämlich am 31. Oktober 2017, der Thesenanschlag Luthers an der Schlosskirche zu Wittenberg zum 500sten Mal.

Dabei ist auch klar: Das historische Datum des Thesenanschlags ist ungewiss, und vielleicht hat Luther in Wirklichkeit nie selbst vor der Kirchentür gestanden und seine Thesen dort angeschlagen. Aber seit 470 Jahren ist der 31. Oktober Kristallisationspunkt des Gedenkens. Die Reformation steht insgesamt nicht nur für eine religiöse Bewegung, sondern für die Überwindung von Angst und Unfreiheit als den prägenden Phänomenen des ausgehenden Mittelalters. Deshalb ist sie auch bis heute zeitgemäß und der Jubiläumstag ist aus guten Gründen ein bundesweiter Feiertag – und aus Anlass des Jubiläums haben die evangelischen Gemeinden Bad Vilbels ein großes Fest auf die Beine gestellt.

Durch das öffentliche Feiern und die Einladung an alle Bürgerinnen und Bürger, an alle Glaubensgemeinschaften und in die Gesellschaft hinein wird deutlich: Nicht nur innerkirchlich hat die Reformation viel verändert – die Abspaltung der protestantischen Kirchen von der römisch-katholischen (gegen Luthers anfänglichen Willen) ist ihre wesentliche Folge – sondern auch kulturell und gesellschaftlich ist sie weltweit von Bedeutung; bis heute sind die Folgen der Reformation in vielen Bereichen unserer Kultur sichtbar und unverzichtbar: Aufklärung, Deutsche Sprache, Mündigkeit in Glaubensfragen, Gewissensfreiheit, Einrichtung öffentlicher Schulen, Macht der Kirchen etc. sind hier Stichworte neben der Gestaltung von Gottesdiensten. Dabei ist nicht zu vergessen, dass es auch Schattenseiten gab: Bauernkriege, Türken- und Judenhass wurden und werden in dem Zusammenhang bedacht.

Am 31. Oktober wird es dann zunächst Andachten in den einzelnen Gemeinden um jeweils 11 Uhr geben. In einem „Sternlauf“ kommen die Menschen von dort in die Kernstadt, wo es ab 12:30 Uhr vor dem Kurhaus Essen gibt, ehe das inhaltliche Programm um 13 Uhr beginnt. Gestaltet wird es von vielen Hauptamtlichen aus den sieben Gemeinden, vor allem aber von den über 100 Ehrenamtlichen, die sich immer wieder mit Lust und großem Engagement einbringen.

Folgende Stationen sind vorgesehen:

-        Essen und Trinken: die Feuerwehr aus Gronau hat Erbsensuppe, Würstchen und Brezeln vorbereitet; Inhaber eines Tafel-Ausweises (mit und ohne Fluchthintergrund) bekommen die Suppe günstiger; außerdem gibt es Lutherbier der Brauerei Neunspringe Worbis und sonstige Getränke

-        95 Thesen für heute: An einer Holzkonstruktion, die vor dem Kurhaus aufgestellt wird, befinden sich bereits Thesen für die Gegenwart, die vorab aus den Kirchengemeinden gekommen sind; Besucher/innen können ihre eigenen Thesen formulieren und anschlagen, die Ergebnisse wandern nach dem Reformationstag durch die Gemeinden und werden in verschiedenen Kontexten aufgenommen.

-        Buchdruck und Bibelübersetzungen: In der Stadtbibliothek werden wir eine historische Druckerpresse aufstellen, auf der Kinder und Erwachsene ausprobieren können, wie vor 500 Jahren Bücher entstanden sind. Ausgelegt sind zahllose verschiedene Bibelausgaben – vom historischen Schinken über jugendsprachliche Übersetzungen bis hin zur Handy-Bibel-App für Kinder; Eltern können sich mithilfe der Ansprechpartner insbesondere darüber informieren, welche Bibelausgabe für ihre Familie hilfreich ist, und welche Möglichkeiten es gibt, Glauben im familiären Alltag zur Sprache zu bringen. Je zweimal gibt es ein biblisches Kamishibai-Theater speziell für Kinder (um 13:30 und um 14:30 Uhr), sowie einen kreativen Impulsvortrag zur Geschichte der Bibelübersetzungen seit Luther und zur Vielfalt der  Bibelausgaben heute („500 Jahre in 15 Minuten“ um 13 und um 14 Uhr).

-        Luther und die Obrigkeit: Hier diskutieren in drei Runden interessante Gäste über heiße Eisen: „Kirche und Staat“ (Jörg-Uwe Hahn und Martina Feldmayer, beide MdL), „Religionsunterricht an öffentlichen Schulen“ (Dr. Thorsten Moos vom Theologischen Seminar Herborn und Dr. Wolfgang Gebhardt vom Humanistischen  Verband Hessen) sowie „Kirche und das liebe Geld“ (Pfr. Volkhard Guth, Dekan, und Pastor Clemens Breest)

-        Zwei Gesichter des Martin L. (Luther und die Juden): Unter anderem gibt es hier einen überdimensionalen „Stolperstein“, an dem deutlich wird, dass nicht alles gut war, was Luther vertreten hat. Offen wird die Frage gestellt: Gibt es angesichts seines Antisemitismus wirklich etwas zu feiern…?

-        So klingt Luther: In der Wasserburg gibt es ein vielfältiges Programm, bei dem eine Gambengruppe zum Tanz aufspielt, die Band „BON“ Lutherlieder neu interpretiert, ein Blockflötenensemble und verschiedene Chöre singen und musizieren – und vieles mehr…

Wichtig ist: Jeder kann seinen ganz individuellen Plan erstellen, wann er welche Station besucht und welche Inhalte er oder sie gerne erleben möchte.

Pünktlich im Anschluss an die Stationen beginnt dann der festliche Gottesdienst. Bemerkenswert sind nicht nur die Zeit und der Ort: Beginn ist um 15:17 Uhr – eine Zahl, die uns an das Jahr 1517 als Startpunkt der Reformation erinnert; die Burg als Ort des Gottesdienstes nimmt die Zeit von damals in der Atmosphäre auf und bildet für alle Bad Vilbeler einen bekannten und originellen Veranstaltungsort.

Das Thema lautet: „Gott neu entdecken – Reformation 2.0“. Die Intention ist, dass schon Luther und die daraus entstandene Reformation das Ziel hatten, Gott selbst in die Mitte zu rücken, ihn neu zu entdecken. In dem Gottesdienst werden deshalb in kurzen Impulsen drei Wege auf gezeigt, um Gott damals wie heute neu zu entdecken.

Gestaltet werden die Predigt-Impulse von Prädikant/innen aus verschiedenen Gemeinden. Sie zeigen, wie man Gott entdecken kann: In der Bibel, in der Musik und in der Gemeinschaft. Die neu gewichteten Zugänge für Gott wurden damals in der Reformation 1.0 von Luther intensiv ins Gespräch gebracht und sind heute bei einer Reformation 2.0 der Kirchen ebenso relevant.

Die Musik in dem kurzweiligen, abwechslungsreichen Gottesdienst wird gestaltet von einem Posaunenchor, einer Band und einem Projektchor, die Leitung hat Pastor Sören Sommer inne. Darüber hinaus beteiligen sich viele Haupt- und Ehrenamtliche aus unterschiedlichen protestantischen Gemeinden Bad Vilbels. Schluss ist pünktlich um 16 Uhr.

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