Evangelische Christuskirchengemeinde 
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Täglicher Impuls am 2.4.

Wie surreal: Blickt man in diesen Tagen an den Himmel über Frankfurt, sieht man – nichts. Fast kein Flugzeug ist unterwegs! Weiße Kondensstreifen, die Wegmarken der globalen Wirtschaft und uneingeschränkter Mobilität: Fehlanzeige! Menschen, die in der Einflugschneise leben, sagen mit Tränen in den Augen: Ich kann auf einmal die Vögel hören! …

Das letzte Mal, dass die internationalen Verkehrsströme derart schlagartig und umfassend eingefroren wurden, war vor knapp 10 Jahren, als der isländische Vulkan Eyjafjallajökull eruptierte. Ein Gigant, der Europa in Atem hielt. Heute halten wir die Luft an, weil ein unsichtbarer Zwerg menschliches Leben bedroht und die weltweite Verbundenheit massiv einschränkt. Die Erde atmet in beiden Fällen auf in diesen Tagen, in denen der ökologische Fußabdruck der Menschheit schlagartig nur noch halb so schwer auf unserem Planeten lastet.

Nein, das ist nicht die „gute Kehrseite“ der Corona-Krise, denn das hunderttausendfache Leid, das Menschen überall auf dem Globus erleiden müssen, lässt sich nicht aufwiegen. Leid und Würde eines Menschen lassen sich niemals aufrechnen. Aber wie gut würden wir daran tun, diesen Umweltaspekt der Krise nicht achtlos zu übergehen, sondern von hier aus zu fragen, was wichtig ist und wie wir handeln können, um die Grundlagen unseres eigenen Lebens und der Gesundheit unserer Heimat Erde nicht zu zerstören.

Dass das Eine mit dem Anderen zusammenhängt, legt auch die Ansprache des Papstes nahe, seine Predigt am vergangenen Samstag, als er auf dem leeren Petersplatz in Rom eine Messe feierte und den besonderen Segen „urbi et orbi“ sprach, der sonst nur hohen Feiertagen vorbehalten ist. Als biblische Richtschnur wählte er die Erzählung von der Sturmstillung aus dem Markus-Evangelium, Kapitel 4. Es lohnt sich diese Zeilen noch einmal zu lesen und sie in unsere Gegenwart hinein sprechen zu lassen…

35 Und am Abend desselben Tages sprach er zu ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren. 36 Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm. 37 Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, sodass das Boot schon voll wurde. 38 Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? 39 Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme! Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille. 40 Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? 41 Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind!

Das sind deutliche Worte, damals wie heute: Wir sitzen alle im selben Boot. Wir haben alle Angst. Und keiner kommt aus der Krise ohne den anderen raus. Entweder wir schaffen es gemeinsam, oder wir gehen zusammen unter. Die Corona-Krise wird transparent für die anderen Krisen, denen sich die Menschheit ausgesetzt sieht, für die Klimakrise eben auch. Und wie die Jünger im Sturm fragen wir uns mitunter: Wo ist Jesus jetzt gerade? Wie kann er uns, schlafend, alleine lassen?

Dabei macht Franziskus umgekehrt uns als die Traumwandler aus: „In unserer Welt, die du noch mehr liebst als wir, sind wir mit voller Geschwindigkeit weitergerast und hatten dabei das Gefühl, stark zu sein und alles zu vermögen. In unserer Gewinnsucht haben wir uns ganz von den materiellen Dingen in Anspruch nehmen lassen und von der Eile betäuben lassen. Wir haben vor deinen Mahnrufen nicht angehalten, wir haben uns von Kriegen und weltweiter Ungerechtigkeit nicht aufrütteln lassen, wir haben nicht auf den Schrei der Armen und unseres schwer kranken Planeten gehört. Wir haben unerschrocken weitergemacht in der Meinung, dass wir in einer kranken Welt immer gesund bleiben würden. Jetzt, auf dem stürmischen Meer, bitten wir dich: ‚Wach auf, Herr!‘“

Von seinen Worten fühle ich mich schonungslos getroffen. Gerade, weil sich anhand des wirtschaftlichen und Stillstands und des Pausierens jeglicher Mobilität zeigt, dass es durchaus Handlungsalternativen gegeben hätte, wo wir immer wieder von Alternativlosigkeiten gesprochen haben. Aber an einer Geißelung von Fehlverhalten ist Franziskus nicht gelegen, stattdessen sieht er uns Menschen aufgerufen, „diese Zeit der Prüfung als eine Zeit der Entscheidung zu nutzen. Es ist nicht die Zeit deines Urteils, sondern unseres Urteils: die Zeit zu entscheiden, was wirklich zählt und was vergänglich ist, die Zeit, das Notwendige von dem zu unterscheiden, was nicht notwendig ist. Es ist die Zeit, den Kurs des Lebens wieder neu auf dich, Herr, und auf die Mitmenschen auszurichten.“

Was könnte daraus folgen, wenn wir „nach Corona“ wieder weitermachen mit unserem Alltag? Werden wir verstanden haben, dass uneingeschränkte Mobilität kein Menschenrecht ist, das es gegenüber dem Wohl des Planeten zu behaupten gilt? Werden wir gelernt haben, dass die Wohlstandsspirale nicht endlos aufwärts führen kann und wann es Zeit ist, sich mit etwas zu bescheiden? Werden wir es aushalten können, das Miteinander stark werden zu lassen auch wenn es bedeutet, manches von dem teilen zu müssen, was wir für das uns allein Zustehende gehalten haben? Sehr wahrscheinlich ist die Corona-Krise eine deutliche Zäsur in der Geschichte der Neuzeit. Zu ihren Folgen könnte gehören: Wir haben und vermögen nicht mehr alles. Eine ihrer Lehren könnte sein: Vielleicht hätten wir es nie gemusst.

Ein Lied aus dem Evangelischen Gesangbuch dringt als verhalten optimistischer Hilferuf in unsere Zeit, wenn es in dem Kehrvers heißt: “Erde, atme auf, Wort, nimm deinen Lauf! Er, der lebt, gebot: Teilt das Brot!” Optimistisch, weil deutlich wird: Gott hält uns dennoch in seinen Händen, bei ihm sind wir geborgen und das Leben, das er schenkt, ist stärker als der Tod, der uns bedroht. Verhalten, weil zugleich klar ist: Das Leben, das er uns schenken will, ist nicht identisch mit dem Leben, das wir führen. Dass die Erde aufatmet und das Brot wir teilen - es ist Hoffnung und Gebot, aber (noch) keine durchdringende Realität.

Als Hoffnung hat es immerhin eine ganz eigene Realität, und mein Gebet ist es, dass wir, wie auch immer wir aus dieser Krise hervorgehen, es wenigstens nicht versäumen von hier aus zu fragen, was wichtig ist und wie wir handeln können, um die Grundlagen unseres eigenen Lebens und der Gesundheit unserer Heimat Erde nicht zu zerstören. Papst Franziskus hat diese Hoffnung und das Vertrauen jedenfalls nicht verloren. Er mahnt: “Laden wir Jesus in die Boote unseres Lebens ein. Übergeben wir ihm unsere Ängste, damit er sie überwinde. Wie die Jünger werden wir erleben, dass wir mit ihm an Bord keinen Schiffbruch erleiden. Denn das ist Gottes Stärke: alles, was uns widerfährt, zum Guten zu wenden, auch die schlechten Dinge. Er bringt Ruhe in unsere Stürme, denn mit Gott geht das Leben nie zugrunde." (https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2020-03/wortlaut-papstpredigt-gebet-corona-pandemie.html)

Ihr / Euer Pfr. Ingo Schütz

 

P.S.: Wer beim Lesen des Lukas-Evangeliums mitmacht: Am heutigen Donnerstag ist Kapitel 14 an der Reihe... 

Geistlich leben - jetzt erst recht: Das ist unsere Devise in der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel. Während der Corona-Krise wollen wir nicht einfach nur alles absagen, sondern neue Wege eröffnen, wie wir unseren Glauben gemeinsam leben können, trotz des gebotenen Sicherheitsabstands. Dazu gehört auch der tägliche Impuls auf der Homepage. Die Impulse der vergangenen Tage finden Sie gesammelt unter https://www.ckbv.de/index.php/download/taeglicher-impuls. Weitere Infos entnehmen Sie bitte unserer Pressemitteilung:  https://ckbv.de/index.php/veranstaltungshinweise/1785-aktuelle-mitteilung.