Heute ist Karfreitag - der Tag, an dem alle Pläne durchkreuzt wurden. Die Mission des Heilands: Gescheitert! Die Hoffnung seiner Anhänger: Vergebens! Die Gewissheiten der Gläubigen: Zunichte gemacht! In besonderer Weise zeigt sich das Scheitern am Schicksal des Petrus. Denn er ist ganz dicht dran. Aber er scheitert in besonderer, in ganz persönlicher Weise. Und er erlebt später eine ganz eigene Art der Auferstehung...
Immer wieder ist in den Evangelien von Petrus die Rede. Meistens wirft er sich nach vorne und will zeihen, dass er ein wichtiger Mann im Bund der Gläubigen um Jesus ist. Aber am Ende - und nicht erst am Ende - kommt es dicke. Die Szene, in der er Jesus verleugnet, ist großes Kino.
69 Petrus aber saß draußen im Hof. Und es trat eine Magd zu ihm und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa. 70 Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst. 71 Als er aber hinausging in die Torhalle, sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth. 72 Und er leugnete abermals und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht. 73 Und nach einer kleinen Weile traten hinzu, die da standen, und sprachen zu Petrus: Wahrhaftig, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich. 74 Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn. 75 Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich. (Matthäus 26)
Diesem Petrus fühle ich mich seltsam nah, auch wenn - oder gerade weil? - er ein solcher Versager ist. Heute, wo es um das Scheitern aller Pläne geht, um Jesu Plan von einer besseren Welt, um meinen eigenen Plan das Leben gut zu gestalten, schreibe ich ihm.
Ach, Petrus. Wie dicht bist du an Jesus dran gewesen. Schon ganz am Anfang, schließlich hat Jesus dir einen besonderen Namen gegeben. Eigentlich heißt du ja Simon. Aber Petrus hat der Herr dich genannt, und das hatte einen Grund, den du selbst lange nicht erahnen konntest. Denn dass du einmal der Fels seiner Kirche sein würdest, das konnte man lange nicht erahnen. Deine Schwiegermutter hat Jesus geheilt – konntest du das nicht selbst? Oder wolltest du es nicht? Übers Wasser hat er dich laufen lassen – und dann bist du doch eingesunken, war dein Glaube denn so klein? Widersprochen hast du, als dein Meister von seinem kommenden Schicksal erzählt hat – wusstest du denn nicht, was alles so geschehen würde, wie es die Propheten angekündigt haben?
Ach Petrus. Wie arg hast du Jesus enttäuscht. Durch diese Unwissenheit, deine Schlichtheit, dein aufbrausendes Temperament. Einen Teufel hat er dich genannt, als du ihn davon abhalten wolltest, seinen Weg zu gehen, von dem er wusste: Er führt mich ans Kreuz. Und als es dann soweit war, als er Beistand gebraucht hätte, auch und gerade die Treue seiner Liebsten, da hast du komplett versagt. Fragt dich die Frau am Feuer, während dein Meister geschunden wird: Bist du nicht einer von denen, die ihm nachgefolgt sind? Nein, ich doch nicht, wo denkst du hin! Und schon krähte der Hahn. Nicht einmal, nicht zweimal, dreimal hast du ihn verleugnet. Petrus, du hast versagt, ist dir das klar?
Ach Petrus. Wie gut hat dich das auf deinen Dienst vorbereitet. Du wusstest von deiner Zeit mit Jesus: Versagen ist kein Ausschlusskriterium. Gott liebt Versager. Jesus ist gerade und ganz bewusst zu denen gegangen, die nicht die Hellsten waren. Die es nicht aus eigener Kraft geschafft haben. Die nicht immer als erste gewählt wurden, wenn im Sportunterricht die Mannschaften aufgeteilt wurden. Das wusstest du. Und konntest deshalb auch damit umgehen, dass du nicht perfekt gewesen bist, kein Glaubensheld, der immer an vorderster Front steht. Oder hast du das alles erst nach der Auferstehung gelernt? Als du gespürt hast: Trotz deines Versagens, trotz deiner Untreue bleibt Jesus dir treu? Hat dich dieses Wissen stark gemacht, um dann wirklich ein Fels zu sein, die es dein Name andeutet, den nichts umhauen kann? Bei deinem Übungslauf auf dem Wasser bist du noch baden gegangen. Aber als es darauf ankam, hast du geholfen, der Kirche ein solides Fundament zu geben. An einem wie dir merkt man echt, dass es Gottes Kraft ist, die da wirkt. Denn als Mensch bist du niemals der gewesen, der die Dinge aus eigener Kraft wuppt.
Ach Petrus. Wie gern wäre ich ein bisschen mehr wie du. Wie gerne würde ich Gottes Kraft durch mein begrenztes Sein und Handeln hindurch erleben. Wie gerne würde ich gelassen bleiben, wenn ich mit meinem Glauben schon wieder scheitere und es einfach nicht schaffe, Jesus gerecht zu werden. Ich weiß: Das muss ich auch gar nicht. Gott spricht mich gerecht, aus Gnade, nicht wegen meiner tollen Leistung. Darin bist du ein echtes Vorbild, Petrus. Deine Leistungen waren, naja, sagen wir mal „durchwachsen“. Bist du beim großen Showdown am Vorabend der Kreuzigung sogar auf ganzer Linie versagt hast. Aber dann ist Gottes Kraft in deiner Schwachheit mächtig geworden. Ich wünsche mir das. Nicht, dass ich unbedingt scheitern will wie du. Aber, wenn es schon passiert, dass Gott dann zeigt: Selbst damit kann er umgehen. Selbst mit dir und mit mir.
Wie erleichternd das ist, sich mit seinem eigenen Scheitern in Petrus wiederzufinden, der sich in seinem Scheitern Jesus nahe wusste und zugleich bei ihm geborgen war, der dadurch eine ganz eigene Art von Auferstehung erlebte. Manchmal geschieht so eine Auferstehung ja schon im Hier und Jetzt. Tatsächlich fragten mich meine Kinder beim Mittagessen: Wie ist das eigentlich, wenn wir auferstehen? Wie sehen wir dann aus? Paulus drückt es so aus: Wir werden vor Schönheit strahlen, wir werden unvergänglich sein und es wird völlig anders sein als es jetzt ist. Und dann vergleicht er die Auferstehung mit einem Weizenkorn, aus dem ein Halm wächst. Der Halm ist etwas völlig anderes als das Korn. Man kann von dem Einen nicht aufs Andere schließen. Und doch gehören die beiden zusammen, sind identisch...
Um mir den Tod und das Scheitern vor dem Hintergrund der kommenden Auferstehung klar zu machen, hilft mir das Lied: "Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt." (EG 98) Vielleicht möchten Sie, vielleicht willst du es mit mir singen?
Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
Wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
Unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Noch ist es nicht so weit, noch schauen wir auf das Kreuz, auf den Tod, auf das Scheitern aller guten Pläne, das Scheitern Jesu, das Versagen des Petrus, auf so vieles, was uns selber nicht gelingt. Und so beende ich meinen Brief:
Ach Petrus: Noch liegen die dichten Tage vor uns. Lass uns zusammen hindurchgehen. Durch den Verlust jeder Hoffnung. Durch den Abschied von allen Träumen. Durch den schmerzhaften Blick aufs Kreuz. Durch die Stille des Grabes. Hin zum ungläubigen Staunen, das mit dem Erlebnis der Auferstehung verbunden ist. Von Jesus. Von dir. Von mir.
Herzlich,
Ihr / Euer Pfr. Ingo Schütz
P.S.: Wer beim Lesen des Lukas-Evangeliums mitmacht: Am heutigen Karfreitag ist Kapitel 22 an der Reihe.
Geistlich leben - jetzt erst recht: Das ist unsere Devise in der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel. Während der Corona-Krise wollen wir nicht einfach nur alles absagen, sondern neue Wege eröffnen, wie wir unseren Glauben gemeinsam leben können, trotz des gebotenen Sicherheitsabstands. Dazu gehört auch der tägliche Impuls auf der Homepage. Die Impulse der vergangenen Tage finden Sie gesammelt unter https://www.ckbv.de/index.php/download/taeglicher-impuls. Weitere Infos entnehmen Sie bitte unserer Pressemitteilung: https://ckbv.de/index.php/veranstaltungshinweise/1785-aktuelle-mitteilung.