Evangelische Christuskirchengemeinde 
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April 2016 - Ev. Kantorei - Deutsche Romantik

Ev. Kantorei Bad Vilbel überzeugt in der Christuskirche

Kantorei 4
Mit einem sehr anspruchsvollen Programm präsentierte sich die Ev. Kantorei Bad Vilbel am 30. April in der Ev. Christuskirche in Bad Vilbel. Zum zweiten geleitet von Geraldine Groenendijk sangen die 40 Sängerinnen und Sänger Werke der deutschen Romantik – von Mendelssohn-Bartholdy über Brahms und Bruckner bis zu Reger und Rheinberger.

Mit dem Jubelgesang „Jauchzet dem Herrn alle Welt“ zu Psalm 100 von Felix Mendelssohn-Bartholdy eröffnete die Kantorei ihr Frühjahrsprogramm. Der Originaltitel lautet „Jubilate Deo“ und war ursprünglich für den anglikanischen Gottesdienst bestimmt, mit dessen reicher chorischer Tradition Mendelssohn auf seinen zahlreichen Englandbesuchen vertraut geworden war. Dem entsprechend endet der Psalm gemäß der anglikanischen Tradition mit der Doxologie, also dem ‚Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste’. Das „Geistliche Lied“ von Johannes Brahms für vierstimmigen gemischten Chor mit Orgelbegleitung entstand nach intensiven Studien zum Kontrapunkt. Es war sozusagen ein Nebenprodukt von Übungen. Brahms war gerade mal 23 Jahre alt. Es ist das erste Chorwerk mit Begleitung, das Brahms komponiert hat. In einem Brief an Josef Joachim erwähnt Brahms seine Unsicherheit über die Qualität des Geistlichen Liedes, gab es aber 1864 in Druck. „Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen?“ ist eine Motette für gemischten Chor, die Brahms 1878 komponiert hat. Er selbst bezeichnete sie als „kleine Abhandlung über das große „Warum““. Brahms kombinierte Texte aus dem Alten und Neuen Testament, so wie er es auch im Deutschen Requiem zusammenstellte. Der erste Satz beginnt und endet mit der Warum-Frage: Laut und anklagend – und ebenso leise und zaghaft. Die Kantorei stellte die große Bandbreite der Dynamik beeindruckend dar. Aber auf die Frage nach dem Sinn des Leidens und Sterbens, erfährt der Hörer keine Antwort. 

Kantorei 4 
 

Dargeboten von Wolfgang Runkel aus Bergen-Enkheim an der Orgel sowie Keunhee Park als Solo-Sopranistin erklangen zwei Lieder von Max Reger aus dem Zyklus op. 137: „Lass dich nur nichts nicht dauern“ sowie „Dein Wille Herr geschehe“, die Vertonung eines Gedichts von Joseph von Eichendorff. Sowohl im kammermusikalischen Duett als auch in der Begleitung des Chores überzeugten beide durch große Sensibilität. Auch wenn Keunhee Park als geborene Koreanerin in ihrer Textverständlichkeit noch reifen kann, sind die Klarheit und Sicherheit selbst höchster Töne beeindruckend. Erneut mit vollem Chorklang setzte die Kantorei das Programm mit Mendelssohn fort. Der Hymnus »Hör mein Bitten« wurde 1844 unter dem Originaltitel »Hear my prayer« in England komponiert und ein Jahr später veröffentlicht. Der Text ist eine Übertragung der ersten neun Verse des 55. Psalmes. Der Hymnus beginnt mit dem verinnerlichten Klageruf des Solo-Soprans (der ursprünglich für eine Knabenstimme geschrieben wurde): »Hör mein Bitten, Herr, neige dich zu mir«. Erst im zweiten Teil, als von den drohenden Feinden die Rede ist, tritt die Solostimme in Dialog mit dem Chor.

Kantorei Ausschnitt 

Von Ferdinand Manns für Violine, Viola und Orgel geschrieben wurde das „Andante religioso“. Cornelia Scholz an der Violine und Daniela Hawlina-Heß mit der Bratsche vervollständigten das Ensemble des Abends. Zusammen mit Keunhee Park und Wolfgang Runkel boten sie von Josef Rheinberger einen Satz aus den 6 Geistlichen Gesängen opus 157 dar – kammermusikalisch differenziert ausgestaltet, auch wenn die Bratsche der Virtuosität der Violine nicht immer ganz folgen konnte. „Meinen Jesum lass ich nicht“ sollen die letzten Worte des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. 1656 gewesen sein. Der Dichter Christian Keimann hat diesen Ausspruch zu einem Gedicht ausgebaut, das zur Grundlage für einen Choral wurde. Reger hat alle 6 Strophen dieses Chorals in der Kantate für Chor, Solo-Sopran, Violine, Viola und Orgel vertont.  Jede Strophe schließt mit dem Satz ab „Meinen Jesum lass ich nicht“. Und der Anfang jeder Strophe ergibt unter – und hintereinander gelesen ebenfalls diesen Satz: Meinen Jesum lass ich nicht. So entsteht eine immense Dichte, die Reger in seiner Choralkantate bis zur sechsten Strophe hin steigert, wenn alle Beteiligten gemeinsam musizieren.

Die erst 2012 neu gegründete Kantorei Bad Vilbel wurde im Sommer 2015 von Geraldine Groenendijk übernommen und überzeugte mit Geraldine Groenendijk 16 04 30differenziertem Chorklang und ausgefeilter Dynamik. Auch die frei liegenden Einsätze für einzelne Stimmen und die Intonation waren beachtlich sauber. Insbesondere der Sopran füllte mit vollem Klang die Kirche. Neben den lauten Passagen des Programms beeindruckten aber vor allem auch die stillen Klänge, beispielsweise bei den beiden Schlusswerken von Josef Rheinberger. Die eher unbekanntere „Hymne“ und die wohl berühmteste Motette Rheinbergers, das Abendlied; eine Motette über den oft zitierten Satz der beiden Jünger, die, nach Jesu Tod unterwegs nach Emmaus, Jesus nach seiner Auferstehung begegnen: "Herr, bleib' bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget". Die erste Version entstand bereit 1855, als Rheinberger gerade mal 16 Jahre alt war. Als 24-jähriger hat er dieses Werk nochmals überarbeitet und später dann veröffentlicht.

Mit starkem Beifall dankten die Besucher Kantorei, Instrumentalisten und Geraldine Groenendijk für ein rundum gelungenes Konzert bekannter und selten zu hörender Werke der deutschen Romantik. Neue Sängerinnen und Sänger sind für das neue Projekt ab 6. Juni 2016 sehr herzlich willkommen.                          

Lutz Rosenkranz

Tags: Chöre, Kantorei

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