Rückblick auf Kirche anders am 4. Februar
Vergangenen Sonntag, am 4. Februar, konnten die Besucherinnen und Besucher der Christuskirche eine fulminante Fortführung der Reihe „Kirche anders“ erleben. Wie üblich wurde in diesem modernen Gottesdienstformat in unterhaltsamer Weise ein relevantes Thema der Gegenwart auf kreative Weise beleuchtet und gedeutet. Aber dieses Mal wurde in jeglicher Hinsicht ein Feuerwerk nach dem anderen gezündet...
Möglich machte es die aktive Beteiligung der Fidelen Sandhasen, des Bad Vilbeler Karnevalsvereins. Mit seiner Hilfe wurden die Gäste schon am Eingang von der Garde mit Sekt und einem Bützje – einem Kuss auf die Wange – begrüßt. Drinnen im Saal heizten ihnen die Stallkrawaller ein, gefolgt von der auch sonst bei Kirche anders mitmischenden Moderatorin Claudia Wollmann, einer gebürtigen rheinischen Frohnatur. Durch die ganze Veranstaltung zog sich als Motto die Frage, ob und wie sich Kirche und Karneval, also „Halleluja und Helau“ miteinander vertragen.
Schon im traditionellen Protokoll, das Jürgen Liehr auf die Bühne brachte, wurde deutlich, dass es aus Sicht der Stallhasen keine Berührungsängste gibt. Der Jugendchor „New Generation“ hüllte die begeisterte Gemeinde in harmonische Klänge ein. Und dass die Aktiven der Christuskirchengemeinde sich für keine Narretei zu schade sind, offenbarte sich in ihrem großartigen Männerballett: Vom Kirche-anders-Team zeigten Andreas Hinkel, Jörg Debé, Gemeindereferent Thorsten Mebus und Pfarrer Ingo Schütz mutig ihre nackten Beine und elektrisierten den Saal mit einer sportlichen Choreografie. Geschult worden waren sie von Ina Ascher von den Sandhasen, die sich zusammen mit ihrem Mann Roland Ascher in unermüdlicher Weise in die Vorbereitungen mit eingebracht hatte.
Aber keineswegs blieb der Gottesdienst im Klamauk stecken. In der Predigt zeigte Ingo Schütz – anfangs vom Auftritt im Männerballett noch etwas außer Atem – dass Kirche und Karneval im Grunde vom selben Traum leben. „Die Sehnsucht wird in den Faschingsritualen deutlich: Wer beim Straßenumzug reichlich Kamellen wirft, der lässt eine Welt aufscheinen, in der es für alle genug gibt, wo niemand Mangel leiden muss. Und wie schön wäre es, wenn Militärs nicht kämpfen, sondern tanzen würden wie das Gardecorps! Aus seiner Kanone kommt keine Kugel, es kommt Konfetti!“
Dieser Traum von einer anderen, besseren Welt ist im christlichen Glauben ebenfalls tief verankert. Aus dem Alten und Neuen Testament zitierte Schütz Texte, die sich an diesem Abend wie die Beschreibung eine Faschings-Sitzung lasen: „Gott wird den Niedrigen erheben und dem Ohnmächtigen einen Platz in den Reihen der Angesehenen gegen.“ Freilich gebe es aber doch noch einen Unterschied zwischen Kirche und Karneval. Während diese den Traum mit Masken heraufbeschwöre und während der „fünften Jahreszeit“ ausgelassen feiere, gelte in jener auch ganz ohne Masken das ganze Jahr lang: „Wir feiern Gottes Liebe in allem was wir tun und glauben, dass er diese andere Welt mitten unter uns Wirklichkeit werden lässt, immer wieder!“
Er wünsche sich, dass Kirche dabei etwas mehr von der Fröhlichkeit der Karnevalisten hätte, gab Schütz zu. Und fügte hinzu: Selbst ruhige Rituale der Kirche, wie etwa die Besinnlichkeit der Fastenzeit, seien kein ausschließlicher Gegenpol zum Karneval, sondern eine gesunde Ergänzung. Schließlich könne der, der sich in den sieben Wochen vor Ostern eine Pause von manch ungesunder Einstellung gönne, anschließend das Leben umso befreiter feiern. Hier erwähnte er nicht nur den übermäßigen Genuss von Essen, Tabak und Alkohol, sondern auch das Duckmäusern unter Leistungsdruck und das Ausfahren der Ellenbogen in der verbreiteten Mir-das-Meiste-Mentalität.
In einer Ehrung am Ende des Gottesdienstes bekamen alle Aktiven einen Orden umgehängt, bevor es wie bei jeder karnevalistischen Sitzung hieß: Ausmarsch! Für die Beteiligten aus der Christuskirche und von den Fidelen Sandhasen war beim anschließenden Genuss eines kühlen Kölsch klar: Das soll nicht die letzte gemeinsame Veranstaltung gewesen sein. Die gegenseitigen Einladungen in den Gottesdienst und umgekehrt in die Sitzungen der nächsten Kampagne sind jedenfalls schon ausgesprochen worden und wurden mit begeisterter Zustimmung quittiert.
OLAF SIEBER