"Sind jetzt sogar Gottesdienste verboten?!" So klingt es, in der Presse und auch in kirchlichen Mitteilungen. Aber das heißt nicht, dass wir das geistliche Leben einstellen - im Gegenteil. Wann, wenn nicht jetzt, sollten wir miteinander verbunden sein, beten und den lebendigen Gott der Hoffnung in unsere Mitte rufen? An dieser Stelle werden wir deshalb auf unserer Homepage und in anderen Medien ab sofort täglich einen kurzen geistlichen Impuls veröffentlichen, der Sie einlädt, innezuhalten und im "häuslichen Kontext" Gottesdienst zu feiern: Mit Gebet, Gesang und Bibellese, alleine oder zusammen mit den Mitbewohnern.
Stimmt schon, es ist schmerzhaft, dass so vieles abgesagt werden muss. Restaurant, Kino, Konzerte, selbst die Spielplätze sind geschlossen - und das, obwohl die Kinder zu Hause sind, weil Schulen und Kindergärten zugemacht haben. Aber der konzentrierte Blick auf den Mangel hilft wenig. Deswegen lasst uns heute damit anfangen uns darüber zu freuen, was noch alles NICHT abgesagt ist:
Bei einem Spaziergang (geht noch!) entdeckte ich heute Knospen an allerhand Bäumen (gibt es noch!), im Kleingarten die Keime des Rhabarbers und frisches Grün an Beerensträuchern. Wenn der Sommer kommt, werden wir Himbeeren und anderes genießen, Corona macht sie nicht kaputt. Dazu Familien, die gemütlich durch die Felder schlendern. Von Menschen, die auf ihren Balkonen gemeinsam Musik machen, habe ich gehört. Und so wird das, was noch möglich ist, zu einem herrlichen Konzert und himmlischen Augenschmaus.
Paul Gerhardts Lied "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" schwärmt übrigens in ganz ähnlicher Weise von dem, was uns an "Gottes Gaben" umgibt. In unseren Tagen liest und singt sich manches davon ganz neu und anders: "Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide..." Wann habe ich eigentlich das letzte Mal so über eine Narzisse, wie sie jetzt schon blüht, gestaunt?
Auch den biblischen Autoren ist dieses Denken nicht fremd. Und sie lassen ihr Staunen einmünden in einen großen Lobpreis der Güte Gottes. Zum Beispiel im Psalm 104: "Du lässt Quellen entspringen und zu Bächen werden; zwischen den Bergen suchen sie ihren Weg. Sie dienen den wilden Tieren als Tränke, Wildesel löschen dort ihren Durst. An den Ufern bauen die Vögel ihre Nester, aus dichtem Laub ertönt ihr Gesang." (V. 10-12)
Vielleicht hast du, haben Sie Lust, diesen Psalm einmal ganz zu lesen und das Lied mit der bekannten Melodie zu singen oder zu summen? Der Bibeltext ist hier zu finden, das Lied geht u.a. so:
1. Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben,
sich ausgeschmücket haben.
2. Die Bäume stehen voller Laub,
das Erdreich decket seinen Staub
mit einem grünen Kleide;
Narzissus und die Tulipan,
die ziehen sich viel schöner an
als Salomonis Seide,
als Salomonis Seide.
3. Die Lerche schwingt sich in die Luft,
das Täublein fliegt aus seiner Kluft
und macht sich in die Wälder;
die hochbegabte Nachtigall
ergötzt und füllt mit ihrem Schall
Berg, Hügel, Tal und Felder,
Berg, Hügel, Tal und Felder.
4. Die Glucke führt ihr Völklein aus,
der Storch baut und bewohnt sein Haus,
das Schwälblein speist die Jungen,
der schnelle Hirsch, das leichte Reh
ist froh und kommt aus seiner Höh
ins tiefe Gras gesprungen,
ins tiefe Gras gesprungen.
5. Die Bächlein rauschen in dem Sand
und malen sich an ihrem Rand
mit schattenreichen Myrten;
die Wiesen liegen hart dabei
und klingen ganz vom Lustgeschrei
der Schaf und ihrer Hirten,
der Schaf und ihrer Hirten.
6. Die unverdroßne Bienenschar
fliegt hin und her, sucht hier und da
ihr edle Honigspeise;
des süßen Weinstocks starker Saft
bringt täglich neue Stärk und Kraft
in seinem schwachen Reise,
in seinem schwachen Reise.
7. Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überfließend labt
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte,
das menschliche Gemüte.
Das Lied geht übrigens noch viel länger, Paul Gerhardt hatte seine Lust am Staunen! Und wir können uns in diesen Tagen heilsam anstecken lassen von diesem erfrischenden Blick auf das, was geht. Übrigens nicht nur das, was in der Natur summt und brummt, flirrt und gluckert: Auch Beziehungen, Liebe, Musik, Phantasie und Freundlichkeit sind NICHT abgsagt.
Gottesdienste im "häuslichen Kontext" und Gebete erst recht nicht.
Alles guten Segenswünsche sendet Ihr / Euer
Ingo Schütz