Wir sind unendlich traurig. Hunderte von Menschen haben abertausende Stunden investiert, geplant, kreativ gedacht, mit Herzblut Ideen entwickelt, Strategien diskutiert, Überstunden gemacht, geworben und mit Leidenschaft auf die Zeit hingefiebert, in der Bad Vilbel Hessen auf die Bühne bringen sollte. Nun wurde der 60. Hessentag in unserer Stadt abgesagt. Angesichts der vielen Arbeit und der großen Vorfreude – tut das weh.
Gleichzeitig steht die Absage in einem größeren Kontext...
Das Corona-Virus breitet sich in Deutschland immer schneller aus. Insbesondere dank derjenigen Menschen, die die gebotenen Sicherheitsmaßnahmen für überzogen halten und eng auf eng in Parks, Cafés und Clubs beieinander hocken. Die Spätfolge so manchen Tête-à-têtes könnte sein, dass in drei Wochen kein Intensiv-Bett mit Beatmungsmöglichkeit mehr frei ist, wenn ein Freund, eine Kollegin, ein Nachbar aus völlig anderen Gründen eine spontane Lungenembolie oder ähnliches erleidet. Es geht eben nicht nur darum, für sich zu sagen: „Mich wird es schon nicht treffen, und wenn, dann wird es nicht so schlimm.“
Wenn man eine übergeordnete Perspektive einnimmt und wie ein Regisseur versucht auf das Ganze des Films zu schauen, der gerade abläuft, dann ist die Absage des Hessentags wahrscheinlich die richtige Maßnahme. Vielleicht wird in wenigen Tagen eine Ausgangssperre verhängt. Auch dies wäre als drastisches Vorgehen der Behörden kein leichtfertiges Vorgehen, sondern eine wohlüberlegte Handlung, die aus der übergeordneten Perspektive mehr Sinn ergibt, als es sich im Hier und Jetzt vielleicht anfühlt.
Was in solchen niederschmetternden Augenblicken bleibt, ist das Vertrauen darauf, dass es eine solche Perspektive gibt, in der alles einen Sinn ergibt – auch wenn sie mir im Moment unzugänglich sein sollte. Ein schöner Spruch in diesem Sinne begleitet mich seit vielen Jahren. Er lautet: „Gott spielt in meinem Leben keine Rolle! – Er ist der Regisseur…“ Und als solcher hat er das Ganze des Films, meines Lebens, unserer Tage im Blick und führt Vieles einem besseren Ende entgegen, als ich es zur Halbzeit der Vorführung erahnen könnte.
Bei vielen Trauerfeiern, wenn auch wir abschließend das Ganze einer zu Ende gegangenen Biografie überblicken können, wird ein Lied gesungen, das diesem Gedanken Rechnung trägt: „Befiehl du deine Wege“ von Paul Gerhardt. In 15 langen Strophen (darunter macht es Gerhardt nicht! ;-) legt der Dichter dar, dass Gott einen guten Plan für alles hat, den er dem guten Ende zuführt, egal ob wir uns darauf einlassen oder nicht. Allein: Was würde es bringen, dagegen zu opponieren?
In der 7. Strophe heißt es: „Auf, auf, gib deinem Schmerze / und Sorgen gute Nacht, / laß fahren, was das Herze / betrübt und traurig macht; / bist du doch nicht Regente, / der alles führen soll, / Gott sitzt im Regimente / und führet alles wohl.“ Auch von der Melodie her ist es ein Lied, das zu traurigen Momenten passt. Mir hilft es, so manchen Abschied einordnen zu können, vielleicht auch den von unserem Traum vom Hessentag. Vielleicht möchtest Du, möchten Sie sich das Lied anhören (z.B. hier) oder selbst singen (Text ist hier)?
Übrigens: Die erste Zeile ist einem biblischen Psalm entnommen. In Psalm 37 heißt es: „Hoffe auf den HERRN und tue Gutes… Habe deine Lust am HERRN; der wird dir geben, was dein Herz wünscht. Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen“ (V. 3-5) Er wird’s wohl machen. Am Tag nach der Absage unseres schönen Festes bin ich gespannt, wie das gehen mag. Aber dass etwas geht, da, wo alles zu Ende sein scheint, das hat er schon oft gezeigt.
Mit traurigen und zugleich hoffnungsvollen Grüßen,
Ihr / Euer Pfr. Ingo Schütz
P.S.: Viele von uns haben jetzt viel Zeit. Wie schön ist es, wenn wir sie auch geistlich nutzen können. Mit den Iranern unserer Kirchengemeinde habe ich vereinbart: Lasst uns jeden Tag ein Kapitel des Lukas-Evangeliums lesen. Am heutigen Freitag geht es los. Nach 24 Tagen haben wir es durch, und das letzte Kapitel – Stichwort: Auferstehung – wird an Ostern gelesen.
Schließe dich der Aktion doch an! Am besten „offline“ in deiner Bibel aus Papier, wo man auch prima Notizen an den Rand schreiben kann. Oder digital, dann zum Beispiel hier: www.bibleserver.com/Lk1. Wir können gerne beim gemeinsamen Lesen über alle entstehenden Fragen und Gedanken ins Gespräch kommen. Schick mir einfach eine Mail oder ruf mich an, ich freue mich darauf... :-)
Geistlich leben - jetzt erst recht: Das ist unsere Devise in der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel. Während der Corona-Krise wollen wir nicht einfach nur alles absagen, sondern neue Wege eröffnen, wie wir unseren Glauben gemeinsam leben können, trotz des gebotenen Sicherheitsabstands. Dazu gehört auch der tägliche Impuls auf der Homepage. Die Impulse der vergangenen Tage finden Sie gesammelt unter https://www.ckbv.de/index.php/download/taeglicher-impuls. Weitere Infos entnehmen Sie bitte unserer Pressemitteilung: https://ckbv.de/index.php/veranstaltungshinweise/1785-aktuelle-mitteilung.