Heute ist – Neujahr! Millionen Menschen im Vorderen Orient, Iraner, Syrer, Kurden feiern Norouz, das persische Neujahrsfest, das mit dem meteorologischen Frühlingsbeginn zusammenfällt. Für die Iraner in unserer Christuskirchengemeinde ist das Fest besonders wichtig, wird es doch familiär begangen und hat den gleichen Stellenwert wie in Deutschland Weihnachten.
Aber in diesem Jahr ist eben alles anders…
Die in Frankfurt geplante, große kurdische Norouz-Feier mit rund 50.000 Menschen wurde abgesagt. Mit ihren Familien können die Geflüchteten in Deutschland nicht zusammen sein. Als Aktion in unserer Gemeinde haben sie just für heute Abend ein Fest mit persischen Traditionen geplant – es kann nicht stattfinden. Es wäre wunderschön geworden und ein tolles Zeichen des kulturellen Austauschs, des Miteinanders von Alteingesessenen und Neubürger/innen.
Zu den Traditionen des Norouz (der Name bedeutet: „Neues Licht“ bzw. „Neuer Tag“ – vergleichbar mit unserem „Neujahr“) gehört es, am Vorabend in den Straßen der Dörfer kleine Feuer anzuzünden (so, wie man in Deutschland eben Feuerwerk abbrennt und dergleichen mehr). Man springt über das Feuer und verbindet damit den Wunsch, das Alte hinter sich lassen zu können. Schuld, Angst, Sorgen – alles, was uns belastet soll im Feuer aufgehen und zum Himmel steigen. Diese Tradition ist schon 2.500 Jahre alt und damit gleichermaßen vorchristlich und vorislamisch (weswegen bspw. das Regime im Iran die Feiern gerne unterdrücken würde, an diesem Punkt aber nicht gegen die Bevölkerung ankommt), aber als Christinnen und Christen können wir, wie es die Iraner in unserer Gemeinde tun, das Fest ganz wunderbar deuten und aufnehmen.
Auch zu den biblischen Vorstellungen gehört es, dass Menschen „geläutert“ werden – ein Begriff, der aus der Metallurgie stammt: Mithilfe des Feuers wird wertvolles Silber und Gold aus dem Erz ausgeschmolzen. Was nicht zum guten Leben dazugehört, wird entfernt, damit wir eine ungetrübte Gemeinschaft leben können, miteinander und mit Gott. Auf unseren Konfi-Seminaren ist das besonders eindrucksvoll: Die Teilnehmenden schreiben ihre Sorgen und Lasten auf Zettel, die im Feuer verbrannt werden. Das ist schon verdammt dicht dran an dem uralten Ritual bei Norouz…
Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten… Am Ende werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre… Ihr werdet euch freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude…“ (aus 1. Petr. 1)
Nicht alles wird gut, nicht alle Sorgen lösen sich in Luft auf, wenn man über das Feuer springt. Aber in dem Ritual wird doch die Hoffnung handfest greifbar, dass ein Mensch umgekehrt nicht darauf verhaftet ist, dieselbe Last für alle Zeit zu tragen. Gott, so haben die Iraner mir geschrieben, schenkt uns seinen Heiligen Geist und verspricht, die Lasten mit uns zu tragen und auf sein breites Kreuz zu nehmen, was wir nicht alleine schultern können.
Ein auch mir selbst bislang unbekanntes Lied, ein kleiner Schatz aus unserem Evangelischen Gesangbuch transportiert diese Gedanken: „O daß doch bald dein Feuer brennte“ (EG 255).
Ein Gebet aus China, das diesem Lied in unserm Gesangbuch zur Seite gestellt ist, macht schließlich deutlich, dass wir nicht stehen bleiben bei der Hoffnung, dass Gott Altes von uns nimmt und Neues möglich macht. Ich lade Sie und euch ein, sich dem Gebet anzuschließen:
„Herr, erwecke deine Kirche und fange bei mir an. Herr, baue deine Gemeinde auf und fange bei mir an. Herr, laß Frieden und Gotteserkenntnis überall auf Erden kommen und fange bei mir an. Herr, bringe deine Liebe und Wahrheit zu allen Menschen und fange bei mir an.“
In diesem Sinne wünsche ich uns allen – in Verbindung mit den Iranern unserer Gemeinde an „ihrem“ Neujahrstag: Happy Norouz!
Ihr / Euer Pfr. Ingo Schütz
P.S.: Wer mitmacht beim Lesen des Lukas-Evangeliums in den 24 Tagen bis Ostern – heute ist Kapitel 2 an der Reihe! :-)
Geistlich leben - jetzt erst recht: Das ist unsere Devise in der Christuskirchengemeinde Bad Vilbel. Während der Corona-Krise wollen wir nicht einfach nur alles absagen, sondern neue Wege eröffnen, wie wir unseren Glauben gemeinsam leben können, trotz des gebotenen Sicherheitsabstands. Dazu gehört auch der tägliche Impuls auf der Homepage. Die Impulse der vergangenen Tage finden Sie gesammelt unter https://www.ckbv.de/index.php/download/taeglicher-impuls. Weitere Infos entnehmen Sie bitte unserer Pressemitteilung: https://ckbv.de/index.php/veranstaltungshinweise/1785-aktuelle-mitteilung.