Joseph of Arimathäa among the rocks of Albion, William Blake
„Ich habe mich so lange nicht getraut und das später bereut. Erst als er gestorben, ach was sage ich: als er ermordet worden war, habe ich mich öffentlich zu Jesus bekannt. Nachträglich habe ich oft gedacht, dass ich gerne mehr Zeit mit ihm verbracht hätte, als er unter uns lebte. Von ihm berührt und begeistert war ich sofort, aber ich hatte damals nicht den Mut alles hinter mit zu lassen und ihm nachzufolgen. Ich hätte auch viel aufgeben müssen. Ich war ein reicher und angesehener Mann und Mitglied des jüdischen Hohen Rates, auch Sanhedrin genannt. Das war unsere oberste religiöse und politische Instanz und oberstes Gericht. Was die Römer uns Juden an Eigenverantwortung zubilligten, verwalteten wir. Wir hatten Macht und wir waren gegen Jesus, zumindest viele von uns. Ich habe meine Zustimmung verweigert, als beschlossen wurde, Jesus anzuklagen und an Pontius Pilatus auszuliefern. Aber retten konnte ich ihn nicht.
Was dann kam, war auch für mich schrecklich mitzuerleben und ihm nicht helfen zu können. Die Ruhe mit der er sein Urteil entgegennahm, hat mich tief bewegt, aber natürlich hat auch er gelitten. Sein Schrei am Kreuz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 15,34 nach Psalm 22) geht mir immer noch durch Mark und Bein. Erst dann fand ich den Mut, zu meiner Überzeugung zu stehen. Natürlich hatten es die anderen Mitglieder des Hohen Rates immer vermutet. Nun sollten sie Gewissheit bekommen: ich war ein Anhänger Jesu, ein Jünger. Ich habe dann meine Stellung genutzt, um Pontius Pilatus zu bitten, mir den Leichnam zu übergeben. Seine Angst vor Unruhen am Passafest spielte sicher auch eine Rolle und so gab er Jesu Leichnam frei, damit ich ihn bestatten konnte und zwar in dem Grab, das ich für meine Familie und mich gekauft hatte. Gräber waren damals kostspielig. Ich sorgte für das Leinentuch, in das wir Jesus Leichnam hüllten, für das Begräbnis ans ich und dafür, dass das Grab verschlossen wurde. Es war das letzte, was ich für ihn tun konnte und das habe ich von Herzen gerne gemacht.
Was danach geschah, wisst ihr sicher. Mein Grab wurde nicht lange benötigt, denn die Lebenskraft Gottes und die Liebe Jesu Christi, lassen sich nicht einsperren oder besiegen. Jesu lebt und ist auch mir erschienen und das war so überwältigend, dass es alles vorher in den Schatten stellte.
Heute ist eine uralte Kirche über dem Ort des Grabes gebaut und seit Jahrhunderten pilgern Christ*innen dorthin. Wie schade, dass die christlichen Kirchen sich darum streiten, wer über das Grab bestimmen kann. Was für ein Jammer.
Was man außerdem über mich erzählt, sind Legenden und meistens hanebüchen. Ich muss aber zugeben, dass sie Stoff für so manche spannende Erzählung und Film liefern. So soll ich das Blut Jesu am Kreuz aufgefangen haben und zwar im Kelch des letzten Mahles, später heiliger Gral genannt. Den hätte ich später nach England gebracht, wo ihn viele Ritter gesucht, aber nur einer namens Galahad gefunden habe.
Wenn Ihr Euch über mich etwas merkt, dann hat es bestimmt mit meinem Grab zu tun, in dem Jesus lag. Aber viel wichtiger ist doch, dass er dort nur drei Tage lang blieb. Er ist auferstanden. Er lebt und er spielt im Leben eine Rolle, in meinem – und auch in eurem?
Ein für mich wunderschönes Passionslied, in dem Ostern anklingt, ist „Korn, das in die Erde“ (Evangelisches Gesangbuch Nr. 98), zu hören auch unter: https://www.youtube.com/watch?v=54HyDvOFa7g
1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt - Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn? Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn, unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn - hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien: Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.
Text: Jürgen Henkys, 1978; Melodie: »Noël nouvelet« Frankreich 15. Jh.
Gebet:
Gott, Vater, Jesus Christus, Bruder: was Leid heißt, weiß du selbst sehr genau. Darum können wir uns auch in unserer Angst und im Kummer an dich wenden. Du verstehst uns und vielleicht fühlen wir uns dir in solchen Zeiten besonders nah. Halte und tröste uns, gerade wenn wir Angst haben, einsam sind oder voller Sorgen für die Zukunft. Schenke uns Trost und Hoffnung, dass das Leben wieder kommt. Amen
Und ganz zum Schluss noch ein Osterwitz als Vorgriff auf morgen:
Es ist Freitagabend, Josef von Arimathäa kommt nach Hause und beichtet seiner Frau schuldbewusst: „Du, ich habe…. Ich habe unser Grab verliehen.“ Sie entsetzt: „Du hast WAAS gemacht?“ Er: „Ach bitte, beruhige dich. Es ist doch nur für das Wochenende.“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen morgen ein frohes Osterfest.
Ihre Pfarrerin Ulrike Mey