Fernab von Helau und Kamelle trafen sich Orgel und Violine gespielt von Geraldine Groenendijk und Cornelia Scholz zu einem bunten Crossover aus Musik und Poesie zwischen dem deutschen Barock und dem argentinischen Tango. So war am vergangenen Samstagabend in der Christuskirche für jeden etwas dabei.
Wenn die beeindruckende Walcker-Orgel der Christuskirche mit ihrem vielseitigen Klangspektrum und dem freibeweglichen Spieltisch von Geraldine Groenendijk gespielt wird, freuen sich die Orgelfans regelmäßig auf den Facettenreichtum, den dieses Instrument unter begabten Händen und Füßen zu Gehör bringen kann. Tritt zu diesem Klangerlebnis noch die Violine, gespielt von der Konzertmeisterin der Kammerphilharmonie Seligenstadt, Cornelia Scholz, dann ist zu erleben, wie zwei an sich bereits eindruckvolle Instrumente und Interpretinnen im Duett eine faszinierend neue akustische Atmosphäre erzeugen.
Zwischen den vielseitigen und abwechslungsreichen Stücken überraschten die Musikerinnen zusätzlich mit passend gewählten Gedichten. Passend zum Konzerttitel „Musikalische Fastnacht“ füllten sie somit das unterhaltsame Programm mit sowohl originellen wie auch nachdenklichen Reimen von Kästner und Evers über Ringelnacht bis Tucholsky. Faszinierend anzusehen war dabei, dass beide Musiker, sichlich selbst amüsiert vom Inhalt der Gedichte, diese interpretierten und dabei ihr schauspielerisches und dramaturgisches Talent zur Schau stellten.
Doch zunächst begannen die beiden Musiker klassisch mit Händels Sonate in D-Dur und Rheinbergers Präludium aus der Suite für Violine und Orgel. Bereits hier zeigte sich in reizender Weise wie die beiden Solo-Instrumente abwechselnd die Führung des Stückes übernahmen und so mit einer lebhaft frischen Dynamik die Werke interpretierten. Mit der Méditation aus der Oper „Thaïs“ von Jules Massenet wurde das Tempo nachdenklicher und ein harmonischer Klangteppich breitete sich über dem Kirchenraum aus. Mit Kreislers Liebesfreud und Liebesleid folgten zwei unterhaltsame Stücke, die sich optimal an die zuvor präsentierten Gedicht von Gumppenberg und Tucholsky anfügten.
Deutlich dramatischer und leidenschaftlicher wurde es ab da mit imposanten Tangostücken. Den temperamentvollen Anfang machten Groenendijk und Scholz mit dem Libertango von Piazolla. Einem rhythmischen und ernergiereichen Stück, dass auf wunderbare Weise die Wandelbarkeit beider Instrumente von der Klassik zur lateinamerikanischen Tanzmusik veranschaulichte. Mit Carlos Gardel und den beiden Stücken „Volver“ und „Por una Cabeza“ glänzten dann beide Musikerinnen mit den Klassikern der Tangomusik. Das frische und komplexe Arragement des „Por una Cabeza“ zeigte dabei auch, dass in etablierten Stücken der Tangoliteratur noch Platz für Interpretation ist. Nach diesen Klassikern folgte mit Ingrids Tango von Daniel Stawinskis – übrigens der Cousin der Violinistin – ein besonders eingängiger und mitreißender Tanz, den beide Musikerinnen harmonisch darboten. Dabei erlebten die Zuhörer eine Art Minipremiere, wurde doch das Stück zwar bereits in anderen Besetzungen, jedoch noch nie mit Violine und Orgel öffentlich aufgeführt. Zum Abschluss dieses kurzweiligen und lockeren Abend durfte La Cumparsita von Gerardo Matos Rodriguez nicht fehlen. Wohl eines der berühmtesten Tangostücke der Tangowelt, das nicht nur Tangofans zum Mitwippen animierte.
In dieser angeregten Stimmung wurden die Interpreten ohne Zugabe nicht von der Bühne verabschiedet. Und so folgte mit El choclo von Ángel Villoldo ein weiterer bekannter Tango, der voller Rhythmik und Energie einen nachhaltigen Abschluss erzeugte. Beim anschließenden Gläschen Wein im Kirchencafé entstanden so noch angeregte Debatten zur Musik und dem Tango.
Insgesamt war es also ein besonderer musikalischer Abend mit einer frischen Mischung unterschiedlicher Stile, bei dem zwei großartige Musikerinnen einen harmonischen instrumentalen Tanz mit wechselnder Führung vorführten. Ein Format, von dem die Zuhörer sichtlich öfter hören möchten.
Jonas Rehn