Rückblick: Kirche anders mit philosophischem Thema zum Saisonabschluss
„Jedem sein Kreuz" hieß es am Eingang des Gemeindezentrums der Bad Vilbeler Christuskirchengemeinde am Sonntag Nachmittag. Während die Frühlingssonne Menschen ans Niddaufer und in die Eiscafés lockte, kamen trotzdem erstaunlich viele Interessierte in den Saal der Kirchengemeinde und ließen sich auf ein gar nicht frühlingshaftes Thema ein: „Ich bin's leid – wie kann das Leid Gott zulassen". Natürlich muss jeder das Kreuz seines Lebens tragen, aber sich am ersten Tag der Sommerzeit damit auseinander setzen?
Als die Band „Extrablatt" um 17 Uhr mit „Boys of Summer" und „Billie Jean" das letzte Kirche anders dieser Saison eröffnete, war der Saal trotz allem sehr gut gefüllt. Christian Brück begrüßte launig die Besucher und leitete zum Theaterstück über: In einer Arztpraxis kamen leidgeplagte Menschen zusammen und erzählten von ihren Schicksalsschlägen – ein Kratzer im Auto, ein verdorbener Wein, ein abgebrochener Fingernagel oder der Abstieg der Fußballmannschaft. Aber während sie in ihrem Leid versanken, kam Pfarrer Klaus Neumeier dazwischen und bat sie von der Bühne: „Euer Leid ist nicht das Leid, über das ich heute sprechen möchte". Neumeier machte deutlich wie vielfältig Leid sein kann: Naturkatastrophen oder Kriege sind
Leid der ganzen Welt. Beim Erleben von Tod und auf dem Friedhof aber kommt das Leid nahe und betrifft das eigene Leben unmittelbar. Bei Kriegen und Gewalt richtet sich die Frage an den Menschen selbst: „Wie kann der Mensch solches Leid zulassen". Krankheit und Tod aber wenden die Frage an Gott. Sehr anschaulich berichtete Klaus Neumeier vom Dilemma des Glaubens: Wenn Gott das Leid nicht wenden will, kann er nicht die Liebe sein. Wenn er es aber nicht ändern kann, wie kann er dann allmächtig sein? Die Welt und das Leben der Menschen seien keine Marionetten, machte Neumeier die gottgewollte Freiheit deutlich, zugunsten er seine eigene Allmacht ganz offensichtlich zurückstellt. Seine Liebe aber ziehe sich wie ein roter Faden durch die Geschichten der Bibel. „Und diese Liebe Gottes kommt uns gerade in den finsteren Tälern des Lebens nahe" erinnerte der Prediger an Worte des 23. Psalms.
Während viele Fragen nach Gott, dem Menschen und dem Leid auf Erden nicht letztgültig beantwortet werden könnten, fand Neumeier trotzdem klare Worte: „Lasst nicht zu, dass Leid Macht über euch gewinnt". Mit Beispielen seiner Pfarrerpraxis erläuterte Klaus Neumeier, wie Menschen mitten im Leid einen Gegenpunkt setzen, um nicht vom Leid übermannt zu werden: „Das kann Musik sein, die Freude an der Schöpfung, Reisen, Essen und vieles mehr. Wichtig ist, dass wir uns von Gott Kraft und Liebe schenken lassen, um gegen das Leid angehen zu können." In diesem Sinne konnte er von Menschen und ihren sehr realen Hoffnungen berichten. Und wenn das Leid nicht einen selbst betreffe, dann sei es an jedem Einzelnen, das Leid in der Welt zu verringern. „Wir werden das Leid der Welt nicht beseitigen können, aber wir können mitleidend da sein im Leid anderer und wir können manche leidvolle Struktur aufbrechen."
Viele Fragen an den Prediger machten deutlich, wie wichtig den Besuchern die Auseinandersetzung mit dem Thema war; beeindruckend, wie souverän der Prediger aus dem Stand mit den philosophischen Fragen angemessen und lebensnah umzugehen wusste. Von rockigen Klängen der Band entlassen ging es dann wieder in einen frühlingshaften Sommerabend. Die Kirche anders-Fortsetzung aber ist fest für November geplant.
Lutz Rosenkranz
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