Rückblick: Messe Solennelle in der Christuskirche
Man spürte schon vor dem Beginn des festlichen Chor- und Orgelkonzerts die gespannten Erwartungen der Anwesenden auf einen außergewöhnlichen Abend in der Christuskirche. Die zahlreichen Besucher, die aus der dunkel kalten Novembernacht gekommen waren, wollten natürlich das neue Ausdrucks- und Klangpotential der restaurierten Walcker-Orgel kennenlernen.
Zugleich war man gespannt auf die künstlerische Gestaltung von Louis Viernes
(1870 – 1937) großartiger Messe Solennelle in Cis-Moll für zwei Orgeln und Chor, dargeboten in einem virtuosen Zusammenspiel der Orgeln mit den Sängerinnen und Sängern der Evangelischen Kantorei Bad Vilbel, verstärkt durch den Chor der Anglikanischen Gemeinde Church of Christ the King (Frankfurt).
Viele Konzertbesucher wollten Simon Harden an der neuen Orgel erleben, immer wieder weltweit unterwegs zu großartigen Orgelkonzerten, hoch gelobt für seine exzellente Spieltechnik und den beseelten Klang seines virtuosen Orgelspiels. Die Orgelsonate „Der 94. Psalm" in C-Moll von Julius Reubke (1870-1937), ein Klassiker der Orgelliteratur, wurde im ersten Teil des Konzertabends von Simon Harden mit viel Feingefühl für die filigranen Melodiestrukturen sowohl in den ruhigen Adagio-Phasen als auch in dem dramatischen Schluß-Allegro ausdrucksstark präsentiert.
Begeistert von den Anwesenden aufgenommen wurde Louis Viernes Messe Solennelle, uraufgeführt in St. Sulpice im Dezember 1901. Der Komponist war damals Titularorganist an der Kathedrale Notre Dame in Paris. Dem Chor gelang es im Zusammenspiel mit den beiden Orgeln, die abwechslungsreiche Klangstruktur der Messe in den fünf sehr unterschiedlichen Sätzen mit viel Einfühlungsvermögen darzubieten, insbesondere durch behutsame Ausdrucksgestaltung und Modifikation von Tempo und Dynamik.
Thomas Wilhelm an der großen Orgel und Bernhard Zosel am Orgelpositiv begleiteten die Sängerinnen und Sänger professionell und sensibel. Da waren das feierlich bewegte Kyrie, das triumphale Gloria, das noch traditionell romantische Sanctus und die geheimnisvoll antiphonalen Harmonien des Benediktus, stilistisch nahe dem Impressionismus. Die lang anhaltenden Phasen im Echospiel zwischen Chor und großer Orgel im Agnus Dei führten das Werk zu einem wunderbar tröstlichen Abschluß mit dem flehend leisen „Dona nobis pacem". Klänge von ungewöhnlicher Schönheit wehten in den weiten Kirchenraum. Sie kamen aus dem Nichts und endeten in der Stille.
Die Aufführung zeigte, wie universell gute Musik sein kann: Sie lässt die Zeit vergessen, in der sie geschrieben wurde. Sie wird zu jeder Zeit und an jedem Ort verstanden. Sie vermag manchmal befreiend Grenzen aufzulösen und Menschen zutiefst zu inspirieren. Der große Beifall am Ende des Konzerts schien dies zu bestätigen.
Der Chor hatte seit August 2013 in vielen Übungsstunden zusammen mit Simon Harden die Präsentation der Messe sorgfältig vorbereitet und konnte gemeinsam mit den beiden Organisten den Konzertbesuchern einen außergewöhnlichen Musikgenuss bieten.
Horst Schneider